SchreibWerkstatt
Neue Texte Frankfurter Autoren
115. PRO LESEN - Themenwoche vom 21. – 26. Oktober 2024
Süß und ehrenvoll ...???
Krieg ist kein Abenteuer
Büchertisch im Bibliothekszentrum Sachsenhausen
Zugänglich während der Öffnungszeiten der Bücherei
Lesung am Donnerstag, 24. Oktober, 19:00 – 20:30 Uhr
Ausschnitte aus Erzählungen von
Mark Twain (Kriegsgebet),
Stephen Crane (Die rote Tapferkeitsmedaille),
Ambrose Bierce (Geschichten von Soldaten und Zivilisten),
Heinrich Böll (Der Zug war pünktlich)
Siegfried Lenz (Deserteur)
Mit Publikumsgespräch. Eintritt frei
Auf ein Wort
Die Grün*innen
Eine Partei, geprägt von Fehleinschätzung, Inkonsequenz und Uneindeutigkeit
Die Vorsitzenden der Grünen, Ricarda Lang und Omid Nouripour, werden beim Parteitag im November nicht mehr für den Vorstand kandidieren. Auch andere Vorstandsmitglieder haben ihre Demission angekündigt. Der Vorstand der Grünen Jugend tritt nicht nur zurück, sondern auch aus der Partei aus und plant die Gründung einer neuen. Als Gründe werden das schlechte Abschneiden bei den Landtagwahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen genannt. Aber die tatsächlichen Ursachen dürften tiefer liegen, betreffen das Selbstverständnis einer politischen Partei, die vor 44 Jahren von Gruppierungen gegründet wurde, die teilweise disparat zueinander standen.
Hauptsächlich zu nennen sind Atomkraftgegner von Nordseeküste (Brunsbüttel, Grohnde, Esenshamm) und Oberrhein (Wyhl), Abspaltungen vom linken Flügel der SPD, die „Grüne Aktion Zukunft“ des vormaligen CDU-Politikers Herbert Gruhl sowie die nationalistisch-neutralistische „Aktionsgemeinschaft unabhängiger Deutscher AUD“. Diese bunte Mischung war von Anfang an auch ein Sammelplatz alter Nazis (ein Beispiel war der Öko-Bauer, Antisemit und Holocaustleugner Baldur Springmann) und esoterischer Strömungen mit Rechtsdrall (z.B. die Anthroposophen). 1990 stieß das ostdeutsche „Bündnis 90“ dazu.
Propagiert wurde eine ökologische Wende, vor allem in der Landwirtschaft. Aber auch eine verkehrspolitische Neuorientierung im „Autoland“ Deutschland. Die naheliegende Frage, ob das in der Bundesrepublik herrschende Wirtschaftssystem mit seiner Ideologie von grenzenloser (kostengünstiger) Produktion (auch von Überflüssigem) und dem Expansionsdrang zu ausländischen Märkten sowie dem idealisierten Massenkonsum zu einer tiefgreifenden Reform in der Lage wäre, wurde zu selten gestellt und faktisch nie beantwortet.
Denn ein ökologisches Paradies würde nicht durch die Beseitigung von Symptomen erreichbar sein, sondern nur durch die Infragestellung wesentlicher Essentials, auch des vermeintlich Selbstverständlichen. So jedenfalls warnten bereits kurz vor und kurz nach der Gründungsphase 1978 bis 1983 die Kritiker von Links, etwa Rudi Dutschke („Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen“) und Rudolf Bahro („Die Alternative“). Sie mussten es wissen. Denn ihr Ideal von einer gerechten Gesellschaft erwies sich in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten als zukunftslos.
Eine ernst gemeinte Abkehr von Ausbeutung, sowohl der Menschen als auch der Natur, kann nach Einschätzung kritischer Sachkenner erst dann greifen, falls Konsens herrscht über folgende Prämissen: Grund und Boden, Wasser (Grundwasser, Flüsse, Seen, Meere) und Luft müssen als Gemeineigentum definiert und entsprechend organisiert werden. Dadurch würden sich völlig neue Perspektiven ergeben für Energie, Verkehr, Ernährung, Wohnen, Gleichberechtigung und Teilhabe, Bildung, Forschung und internationale Beziehungen (die Liste ist nicht vollständig).
Doch stattdessen biedern sich Grüne seit einem Jahrzehnt dem ideologischen Feminismus an und übernehmen dessen Sprachregelung (Gendern). Dabei wird die Logik der in Jahrhunderten aus sich selbst erwachsenden deutschen Grammatik missachtet. In Letzterer spiegeln sich die wichtigsten Stationen, welche Aufklärung, Philosophie inklusive Sprachphilosophie, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie Erkenntnistheorie in Deutschland genommen haben. Grüne Vereinfacher kippen diese Errungenschaften aus wie einen Eimer Schmutzwasser und vernichten dadurch positives kulturelles Erbe sowie Andockpunkte für eine lebenswerte Zukunft. Typischerweise bezeichnen sie Künstler als Kulturschaffende, als ob es sich um Handwerker handelt – wie es auch die Nazis taten. Lediglich ihren Namen haben sie noch nicht zu Grün*innen gegendert. Lässt das hoffen?
Ich habe Zweifel. Denn in Frankfurt am Main äußert sich grüne Verkehrspolitik in der Benachteiligung von Fußgängern (vor allem, wenn sie auf Gehhilfen, Rollatoren und Rollstühle angewiesen sind oder Kinderwagen schieben) und in der Bevorzugung von aggressiven Radfahrern und E-Roller-Nutzern, die auf Gehwegen rasen. In vielen Wohnvierteln wird das Aufparken von PKWs auf Gehsteige toleriert, obwohl es gesetzlich verboten ist. Die Aufzählung der Delikte ist damit noch längst nicht vollständig.
Bleiben Sie kritisch gegenüber politischen Parolen. Erst in der Praxis erweist sich, ob sie ernst gemeint sind.
Ihr Klaus Philipp Mertens