SchreibWerkstatt
Neue Texte Frankfurter Autoren
100. PRO LESEN - Themenwoche März 2023
Peter Kurzeck: Und wo mein Haus?
Auf ein Wort: Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich nur klar sagen

Brauchen wir eine feministische Außenpolitik?
Nach meinem Eindruck handelt es sich bei dem Begriff, mit dem Außenministerin Annalena Baerbock öffentlich jongliert, um eine Begriffsverwirrung. Und ich frage mich, was im Kern gemeint sein könnte. Neu ist das Begehren übrigens nicht.
Am 28. Oktober 2020 scheiterte ein Antrag der Grünen im Deutschen Bundestag zu einer feministischen Außenpolitik. Damals verlangte die Partei von der Bundesregierung, das Prinzip einer feministischen Außenpolitik zu einem Grundprinzip zu machen und sicherzustellen, „dass jede Art von diplomatischen Verhandlungen, die Planung und Durchführung von Projekten wie auch das Engagement in multilateralen und supranationalen Organisationen darauf ausgerichtet ist, Geschlechtergerechtigkeit zu fördern“.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine, der Einschüchterungen Chinas gegen Taiwan und der Unterdrückung von Frauen im Iran könnte die Stunde einer solcherart entschlossenen Exekutive schlagen. Doch welche politischen Ziele könnten damit verbunden sein? Möglicherweise soll damit den männlichen Potentaten in autoritär regierten Staaten Paroli geboten werden. Neben denen in der Russischen Föderation, in Belarus und in China könnten auch Regime in Ländern mit institutionalisiertem religiösem Fundamentalismus gemeint sein. Lassen sich Frau Baerbocks Signale als Warnungen an die diktatorisch regierenden Alleinherrscher in der islamischen Welt dahingehend verstehen, dass das Ende ihrer Herrschaft naht?
Im Hinblick auf den russischen Überfall sowie auf die Situation in Ländern wie dem Iran oder Saudi-Arabien, aber auch im imperialen katholischen Stadtstaat Vatikan, der seine Agenten in demokratische Institutionen einschleust, würde ich einen solchen Paradigmenwechsel in der Außenpolitik prinzipiell begrüßen.
Allerdings würde eine solche Kehrtwende bedeuten, dass in den internationalen Beziehungen die klassische Diplomatie ausgedient hat und durch eine Strategie ersetzt wird, die auf Forderungen nach Demokratie, Menschenrechten und Geschlechtergerechtigkeit basiert. Und mutmaßlich riefe diese außenpolitische Offensive Kollateralfolgen hervor.
Dennoch: Eigentlich kann man gar nicht gegen eine Initiative sein, die auf Teilhabe aller, auch aller Geschlechter und sexuellen Orientierungen, drängt.
Gleichwohl: Die Frauen und Männer, die sich an den 68er-Protesten beteiligten (und ich darf mich dazu rechnen), waren nach meiner Einschätzung dichter dran an einer auf die Einhaltung der Menschenrechte ausgerichteten Innen- und Außenpolitik als es die Grünen heute sind.
Bitte misstrauen Sie Schlagworten. Adjektive wie feministisch sagen zu wenig über die Ziele aus.
Ihr Klaus Philipp Mertens