Einzelartikel aus „https://bruecke-unter-dem-main.de - Frankfurter Netzzeitschrift“

Das kritische Tagebuch

Der Frankfurter Theaterneubau: Die Kosten steigen, die künstlerische Konzeption („Kulturmeile“) wird nicht plausibler. Der Kern jeder Bühne, nämlich…

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Über den Umgang mit toxischer Männlichkeit

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Vom Geist der Zeit

Publizistische Marginalien aus gegebenem Anlass

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Das Frankfurter Literaturhaus verpackt seine Ankündigungen in Genderphrasen, einem Danaergeschenk der Einfältigen. Hingegen halten sich nahezu…

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Offensichtlich bestehen immense Probleme beim verstehenden Lesen sowie beim folgerichtigen Denken und Schreiben

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Eine Spurensuche für die Gebildeten unter den Verächtern

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Maßstäbe und persönliche Stilbildung

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Verfügt die Frankfurter Politik über ein Kulturbewusstsein?

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Das amtliches Regelwerk für deutsche Rechtschreibung wurde aktualisiert. Wir geben eine Verlautbarung der Kultusministerkonferenz und des Rats für…

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Buchtipps

Eine Broschüre des Vereins "Fachverband Fußgängerverkehr Fuss"

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Eine literarische Karriere der 1950er Jahre

Nachgezeichnet von Joachim Wittkowski

 

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Recherchen zu „Social Media“

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Eckhard Meineke

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Nachrichten. Kultur – Politik – Wissenschaft

Gedenktage im Juni 2025

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Wie die Autorin am 24. März ankündigte, wolle sie die politische Haltung der Meta-Plattformen Instagram und Facebook nicht länger unterstützen. Damit…

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Ausgabe vom 1. Februar 2025

 

Beitragsservice der Rundfunkanstalten warnt vor Phishing - Aktiv gegen Spam-Anrufe - Telekom-Kunden aufgepasst! -…

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Gemäß Grammatik und gültiger Rechtschreibreform. Und haben den »Analphabētos« ausgelobt, eine Negativauszeichnung für Sprachmanipulation

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SchreibWerkstatt

Neue Texte Frankfurter Autoren

123. Pro Lesen-Themenwoche im Bibliothekszentrum Sachsenhausen, Obergeschoss. 23. - 28. Juni 2025

Autoren aus der Region stellen Bücher und Manuskripte vor: Marianne Bürgel & Klaus Jost


 

Das literarische Donnerstagabend-Studio am 26.06.25, 
19:00 – 20:30 Uhr

8. Mai 1945. Der Krieg war zu Ende. Was kam danach?

 

Marianne Bürgel & Klaus Jost lesen aus ihren Büchern

Moderation: Klaus Philipp Mertens, der auch eigene Texte beisteuert

Mit Publikumsgespräch

Eintritt frei

 

 

Während der Veranstaltungswoche werden an einem Büchertisch im Obergeschoss des Bibliothekszentrums weitere Titel zum Thema ausgestellt. Er ist zugänglich während der Öffnungszeiten der Bücherei.

 

 

 

 

 

 

„Anders als durch Verwegenheit ist Theologie nicht wieder zu gründen.“

 

Die neue Kirchenpräsidentin Christiane Tietz stand in einem Interview der „Frankfurter Neuen Presse“ Rede und Antwort. Sie hält das EKHN -Reformprogramm 2030 für eine adäquate Antwort auf die grundsätzlichen Probleme der Kirche. Dieses geht von weiter sinkenden Mitgliedern aus. Folglich werden sich die Einnahmen reduzieren und damit zwangsläufig die Angebote. Die verbleibenden Gemeinden sollen sich arbeitsteilig organisieren und inhaltliche Schwerpunktzentren bilden. Das klingt nach Betriebswirtschaft und erinnert an die Sortimentspolitik von Discountern und Supermärkten. 

 

Ich male mir Folgendes aus: Den Randständigen in Offenbach und Höchst, wo man (nach landläufiger Meinung) ohnehin tot über den Zäunen hängt, spendet die Kirche nur noch die Sterbesakramente. Die Kleinbürger im Vordertaunus werden mit Liedergottesdiensten („Geh‘ aus mein Herz und suche Freud“) sowie mit Pilgerwanderungen rund um den Feldberg bei Laune gehalten. Im grün-infiltrierten Bornheim feiert man ein zu 100 Prozent ökologisches Erntedankfest und regelmäßig findet ein dogmatisch-feministischer Gottesdienst in „gerechter Sprache“ statt. In Sachsenhausen und Bockenheim wird wegen des noch guten Kirchensteueraufkommens vorläufig ein volles Programm entlang der üblichen Passageriten angeboten (Taufe, Konfirmation, Eheschließung, Ehrung älterer und alter Mitglieder, Beerdigung). Die hohen Feiertage Karfreitag, Ostern, Pfingsten und Weihnachten werden abwechselnd begangen – von Stadtteilgemeinde zu Stadtteilgemeinde. Dann fährt ein Pfarrermobil durch Frankfurt. Pastor oder Pastorin vom Dienst (PvD) lädt vor oder in den noch nicht umgewidmeten Kirchen zu Kurzgottesdiensten ein (mit Orgelmusik vom Band). Im Portal der Alten Nicolaikirche auf dem Römerberg eröffnet ein Ablassbüro. Hier können sich Gottesfürchtige und Gottlose gegen Zahlung eines Obolus einen Platz in himmlischen Gefilden, im Hades oder im Nirwana reservieren lassen (ohne Gewähr). Alles in allem betriebe die Kirche dann ein möglicherweise erfolgreiches Zielgruppengeschäft. Allerdings zu einem hohen Preis: nämlich dem ihrer endgültigen Selbstaufgabe.

 

Würde die Kirche hingegen ihr Selbstverständnis ernst nehmen, setzte sie Himmel und Hölle in Bewegung, um sich dem nahenden Ende des Gottesreichs auf Erden zu widersetzen. Die biblischen Schriften würden entsprechend den Ergebnissen der historisch-kritischen Forschung entrümpelt und vom Kopf auf die Füße gestellt. Fortan nähmen sie den Rang weisheitlicher Erfahrungen an. Unter dem Motto „Erst wissen, dann glauben“ setzte eine neue Reformation ein. Sie nähme die Erkenntnis des Basler Theologen Franz Overbeck (eines Freundes von Friedrich Nietzsche) ernst: „Anders als durch Verwegenheit ist Theologie nicht wieder zu gründen.“ Den Ausführungen Karl Barths zum Römerbrief („Gott hat gesprochen – Deus dixit“) wird Kirchenpräsidentin Christiane Tietz nur noch selten lauschen. Vielmehr könnte sie in ihren Predigten häufig den kritischen Dietrich Bonhoeffer zur Wort kommen lassen, der davon überzeugt war, dass wir in dieser Welt leben müssen, so als ob es Gott nicht gäbe („etsi deus non daretur“). Und vielleicht wäre sie sogar mutig, die Ansichten des Theologen Herbert Braun von den theologischen Proseminaren in die Mitte der Gemeinden zu rücken: „Gott ist das Woher meines Umgetriebenseins. Gott ist das Woher meines Geborgen- und meines Verpflichtetseins vom Mitmenschen her. Gott ist dort, wo ich in Pflicht genommen, wo ich engagiert bin; engagiert im unbedingten »Ich darf« und »Ich soll«. Der Mensch als Mensch, der Mensch in seiner Mitmenschlichkeit, impliziert Gott.“ Und vielleicht erwähnt sie auch den Philosophen Wilhelm Weischedel. Der widersprach in seinem Hauptwerk „Der Gott der Philosophen“ allen Versuchen, Gott substanzhaft zu denken. Gott oder das Göttliche seien lediglich das Vonwoher der Fraglichkeit bei der Suche nach dem Sinn menschlichen Lebens. Je tiefer man in diese Suche einsteige, umso mehr nehme auch die Fraglichkeit zu. Dies führe in letzter Konsequenz dazu, dass die Frage nach Gott offenbleiben müsse, letztlich gar nicht beantwortet werden könne.

 

Und vielleicht ist die von ihrer neuen Aufgabe begeisterte Kirchenpräsidentin bereit, die einstmals wegen ihrer Qualität berühmte evangelische Publizistik neu zu beleben. Die verstand sich als Stimme jener, die stimmlos waren und nicht für sich sprechen konnten. Der Anspruch galt solange, bis Oberkirchenräte, die an nichts mehr glaubten, das Flaggschiff dieser Publizistik, das „Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt“, für zu teuer und darum für entbehrlich hielten. Dieser Tod löste das große Sterben in der konfessionellen Publizistik aus. Seither mischt sich Kirche in fast nichts mehr ein. Das ist der demokratischen Gesellschaft nicht gut bekommen. Es wäre an der Zeit, über eine Auferstehung nachzudenken.

 

Bleiben Sie kritisch.

Ihr Klaus Philipp Mertens