Archiv "Vom Geist der Zeit" | Philosophie und Theologie

Ecclesia semper reformanda est – die Kirche muss ständig reformiert werden

Für die katholische scheint das nicht zu gelten

Petersdom

Rund um die diesjährige Ostermesse von Papst Franziskus wurde viel spekuliert. Ist der Papst den Belastungen des Amtes noch körperlich gewachsen? Wie denkt er über die Kirche, wohin will er sie bewegen? Welchen Widerständen ist er ausgesetzt? Welche Bedeutung misst er den zögerlichen Reformwünschen der deutschen Katholiken bei? Was hat er in den zehn Jahren, während derer er das Pontifikat ausübt, eigentlich erreicht?

 

Realistischerweise muss man eingestehen, dass Reformen nicht Sache der katholischen Kirche sind. Vielmehr ist sie zur Aufrechterhaltung ihres Dogmatismus gezwungen, falls sie in der bisherigen Form noch eine Zeitlang überleben will. Schließlich gründet sie auf religiösen Bekenntnissen von Menschen, die 30 bis 70 Jahre nach dem Tod des legendären, historisch nicht nachweisbaren Wanderpredigers Jehoschua (Jesus) entstanden sind, aber als göttliche Offenbarungen verstanden wurden und werden. Um diesen Glauben, der auf Nichtwissen bzw. Verneinung von Wissen beruht, aufrechtzuerhalten, ist eine strenge Hierarchie mit unterschiedlichen Kompetenzen notwendig.

 

Die wesentlichen Elemente dieser Buchreligion stellen keine historisch-wissenschaftliche Geschichtsschreibung dar, sondern sind lediglich Geschichten. Diese knüpfen an das Selbstverständnis eines kleinen Volkes in Kleinasien an, dessen Land von den Truppen eines Weltreichs, Rom, besetzt war. Bereits seit Jahrhunderten bildete es keine Einheit mehr (926 v.Chr. Zerfall in das Nordreich Israel, das nur 200 Jahre bestand, und das Südreich Juda) und dessen Glaube an einen für einzig gehaltenen Gott von einer Priesterkaste (Sadduzäer) inhaltlich und rituell reglementiert wurde. Die traditionellen Bestandteile „ein Volk“, „ein Land“, „ein Gott“ hielten der Realität nicht stand. Zwangsläufig musste es zu religiösen Gegenbewegungen kommen, die auch politische Ziele verfolgten. Denn der Erlöser der Juden würde gemäß den Prophezeiungen der Hebräischen Bibel ein geistlicher und weltlicher Befreier sein, aus dem Stamm König Davids hervorgehen und ein Gesalbter (Maschiach/Messias) sein wie dieser.

 

Die römische Besatzung hat diese jüdische Reformation, die sich bereits mit anderen Kulten der Alten Welt mischte, in ihr Zentrum geholt, um sie politisch einflusslos zu machen. Letzteres gelang nicht. Rom pflanzte damit unbeabsichtigt die Wurzeln eines neuen Imperiums, das sowohl religiös (Kirche) als auch politisch (Heiliges Römisches Reich) operierte und seine Existenz bis heute theologisch begründet.

 

Dennoch hat sich die frühe katholische Kirche zunächst heftig über ihre weltanschaulichen Fundamente gestritten. Im Zentrum des Streits stand die Frage, ob Jesus wahrer Gott oder wahrer Mensch gewesen sei. Und ob die Dreieinigkeit (Gott, Jesus, Heiliger Geist) biblisch, also durch Altes Testament und vor allem Neues Testament, begründbar wäre. Zu sehr erinnerte die Kopfgeburt des Gottessohnes (Marias unbefleckte Empfängnis) und dessen Blutopfer sowohl an Motive der griechischen Mythologie als auch an den römischen Mithraskult. Erst auf den Konzilen von Nicaeum (325) und Konstantinopel (381) wurde das Glaubensbekenntnis, das Nicaenu-Konstantinopolitanum, endgültig formuliert. Es gilt bis heute. Aus ihm leitet die katholische Kirche ihre Berechtigung zur Definierung weiterer Dogmen ab. Hierzu zählen insbesondere eine körperfeindliche Sexualmoral, die Deklassierung der Frau oder später der Zölibat. Im 19. Jahrhundert die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubenssachen sowie die Aufnahme Marias in die Sphäre Gottes. Legenden wie Maria und Josef, die Herberge in Bethlehem, die Krippe, die Hirten auf dem Felde, die Weisen aus dem Morgenland, die Wunder, aber auch der Kreuzestod Jesu und dessen Auferstehung wurden zu narrativen Bestandteilen einer unkritischen Volksfrömmigkeit.

 

Die Angst im Vatikan ist verständlich. Fällt die eine Glaubensgewissheit, fällt auch bald die nächste und am Schluss fallen alle. Denn längst geht es nicht mehr um das Verhältnis der Menschen zu einem für existent gehaltenen Gott, sondern um die Vergöttlichung der Kirche. Die Verantwortung für einen Wandel mit ungewissem Ausgang will kein Papst übernehmen.

 

Kritische Strömungen in der Mitgliederschaft wie „Maria 2.0“ (bezeichnenderweise die Fortschreibung einer Dienerinnenrolle) oder der „Synodale Weg“, welcher Kleriker miteinbezieht, sind keine Alternativen zur autoritär verfassten Kirche. Diese kann nur als säkulare, den Menschen zugewandte Gemeinschaft überleben.

 

 

Klaus Philipp Mertens