Archiv "Vom Geist der Zeit" | Gesellschaft und Politik

Vom materiellen Wert des Menschen

Eine Rechnung über 517 Billionen Euro an die Corona-Verharmloser

Demo in Stuttgart gegen die Corona-Schutzmaßnahmen © tagesschau.de

77,8 Millionen Euro wurden in den USA einem Glyphosat-Geschädigten als Schadensersatz zugesprochen. In erster Instanz waren ihm sogar 1,8 Milliarden Euro (etwas über 2 Milliarden US-Dollar) gewährt worden. Im Berufungsverfahren im Juli 2019 wurde die Entschädigung an den Todkranken auf 77,8 Millionen gesenkt, weil der ursprüngliche Betrag als unvereinbar mit den üblicherweise in den USA zugesprochenen Wiedergutmachungen stünde. Zwar lindern auch 77,8 Millionen Euro das Leid eines schwerst Erkrankten kaum und erst recht können sie keinen Verstorbenen wieder lebendig machen.
In Deutschland werden solche Summen bis jetzt ohnehin nicht gezahlt; dafür sorgen die Versicherungswirtschaft und ihre Lobbyisten in Bundestag und Bundesregierung. Aber die tückische Corona-Covid-19-Pandemie sollte Anlass sein, völlig neue und realistische Maßstäbe zu setzen. Denn bislang konnte die Ausbreitung des Virus nur durch rigide Eingriffe in das öffentliche und private Leben eingedämmt werden. Das Grundgesetz lässt solche Maßnahmen zu, aber dennoch ist dieser Wettlauf gegen die Zeit (also bis zur Verfügbarkeit eines Medikaments und/oder eines Impfstoffes) unbefriedigend.

Laut Robert Koch-Institut stieg die Gesamtzahl der Infizierten am 2. Mai auf 162.496. Davon sind 6.649 gestorben. Ob die ca. 110.000 Genesenen mit Langzeitfolgen rechnen müssen, ist völlig unklar.

Nach der erwähnten US-amerikanischen Rechtsprechung hätten allein die Hinterlassenen der Toten aktuell einen Schadensersatzanspruch von über 517 Billionen Euro an jene, die durch Fahrlässigkeit das Virus importierten, seine Bekämpfung sabotieren und seine Gefährlichkeit leugnen. Zu den Schuldnern zählen Unternehmen, die ihre Geschäftsbeziehungen zu China und dessen Nachbarländern nicht unmittelbar nach dem Ausbruch der Seuche rigoros unterbrochen haben. Ebenso Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber sowie Teile der Touristikbranche, die nach bis Mitte März so taten, als wäre nichts geschehen.
Nicht zu vergessen in dieser Allianz der Hasardeure sind Verschwörungsideologen wie „KDW - Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“, „nichtohneuns“ oder „Querdenken“. Sie bilden de facto eine antidemokratische Front mit traditionellen Rechtsextremisten wie „Querfront“, „Identitären“, „Pegida“ und AfD. Auf einer Demonstration gegen die Schutzmaßnahmen der Bundesregierung am 2. Mai in Stuttgart-Bad Cannstatt, an der ca. 5.000 Unbelehrbare teilnahmen, wurden Plakate wie „Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat“ hochgehalten. Allein diese Aussage entlarvt seine Verfechter als Anhänger einer perversen und allgemeingefährlichen Gesinnung. Denn das Grundgesetz benennt die Grundsätze der Menschenwürde und regelt Rechte und Pflichten der Bürger, der Legislative, der Exekutive und der Rechtsprechung. Somit ist es die Basis eines demokratischen Rechtsstaats.
Andere auf dieser Demonstration gezeigte Schilder behaupten, dass die Todesopfer, welche Corona gefordert hat, die statistische Lebenserwartung erreicht bzw. überschritten hätten. Mit anderen Worten: Sie seien ihr Leben nicht mehr wert gewesen – also fort mit ihnen. Wie lange will sich die demokratische Öffentlichkeit diese Scharfrichter-Mentalität noch gefallen lassen?

Ein weiterer trauriger Höhepunkt der organisierten Corona-Verharmlosung ist der Angriff auf das Team der ZDF-Satiresendung „heute - show“ am 1. Mai in Berlin. Nach Filmaufnahmen am Rand einer Demonstration gegen die Corona-Verhaltensregeln in Berlin-Mitte wurden zwei Kameraleute, ein Redakteur, der Comedian Abdelkarim sowie drei Security-Mitarbeiter von 20 bis 25 Vermummten in der Rochstraße so brutal angegriffen, dass sechs von ihnen im Krankenhaus behandelt werden mussten. Sechs Schläger konnten festgenommen werden. Es handelt sich um zwei Frauen im Alter von 25 und 27 Jahren sowie vier Männer zwischen 24 und 31 Jahren. Nach ersten Erkenntnissen der Berliner Behörden seien sie dem linken Spektrum zuzurechnen. Die Fähigkeit zur korrekten Kategorisierung von Schlägern und Attentätern ist bei Teilen der Berliner Behörden jedoch bekanntlich nicht unumstritten. So werden die rechten Verschwörungsfanatiker des „KDW - Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“, die seit März mit gewaltbereiten „Hygiene“-Demos vor der „Volksbühne“ auf sich aufmerksam machen, immer wieder dem linken Spektrum zugeordnet. Bereits bei der Aufklärung des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 gaben die Ermittlungsbehörden einschließlich Verfassungsschutz ein blamables Bild ab.  
 

KPM