Archiv "Vom Geist der Zeit" | Gesellschaft und Politik

Moralinschleuder

Anmerkungen zum Prozess gegen Peter Feldmann und zur Abwahl-Kampagne

© ARD

Frankfurts ewig Gestrige, also die Spitzen der Regierungskoalition, ergänzt von CDU und indirekt auch von den Rechtsextremisten und Rechtspopulisten der AfD und der BFF-BIG, haben ein Komplott gegen Oberbürgermeister Peter Feldmann geschmiedet.
 

Der Sozialpolitiker gilt spätestens seit seiner Wiederwahl als größtes Hindernis einer feindlichen Übernahme der Stadt durch internationale Finanz- und Immobilienspekulanten einschließlich Geldwäschern und Steuerbetrügern. Obwohl Feldmann keinesfalls der Spiritus Rektor einer liberalen Stadtgesellschaft ist und ihm allzu häufig linkische Fehler unterlaufen, kann er auf eine große Anzahl Anhänger unter nichtprivilegierten Normalbürgern zählen.
 

Folglich bedurfte es falscher Anschuldigungen, um ihn aus dem Spiel zu nehmen. An vorderster Stelle rangiert die konstruierte Vorteilsannahme. Nämlich dass er seiner Partnerin und späteren Ehefrau zu einer überdurchschnittlich dotierten Stellung bei der AWO verholfen und sich deswegen erpressbar gemacht haben soll. Die Staatsanwaltschaft, die Whistleblower-Informationen zufolge mutmaßlich auf Weisung der seinerzeitigen hessischen Justizministerin (CDU) ermittelte, leitet die Tatvorwürfe aus SMS-Kurznachrichten ab, die zwischen der Geschäftsführerin der Wiesbadener AWO und Peter Feldmann kursierten. In diesen erinnert die AWO-Leiterin Feldmann an das gegenseitige gute Einvernehmen, bittet um Hilfe bei einer Klärung von Sachverhalten (allem Anschein nach ging es um die überhöhte Kostenabrechnung für Flüchtlingsunterkünfte, die von der zuständigen Dezernentin, die CDU angehörte, zunächst akzeptiert worden war) und zeigt sich enttäuscht über ausbleibende Unterstützung. Außerdem unterstellt die Anklagebehörde dem OB Gegenleistungen für eine angebliche finanzielle Wahlkampfunterstützung von AWO-Funktionären. Wie Feldmann solche Versprechungen angesichts der engen Handlungsgrenzen, welche die hessische Gemeindeordnung einem Oberbürgermeister setzt, hätte bewerkstelligen sollen, sagt die Staatsanwaltschaft nicht. Es hat den Anschein, dass in Teilen der hessischen Justiz immer noch autoritäre Rechtsvorstellungen grassieren, wie sie Carl Schmitt, einer der „Kronjuristen“ des Dritten Reichs, formuliert hatte („Der Führer schützt das Recht“, in „Deutsche Juristenzeitung“ vom 1.8.1934).

 

In der am 18. Oktober im Landgericht Frankfurt verlesenen Anklageschrift nimmt die angebliche Vorteilsgewährung zu Gunsten von Feldmanns Partnerin bzw. späteren Ehefrau einen breiten Raum ein. Dem Beschuldigten blieb keine andere Möglichkeit, als seine damalige vor-familiäre Situation transparent zu machen. So auf die ungewisse Zukunft des Paars, das Wert auf getrennte Konten und Wohnungen legt und unterschiedliche Lebensentwürfe hegt. Dann die Eheschließung, weil ein nicht gewünschtes Kind unterwegs war. Peter Feldmann hatte sogar seiner noch nicht angetrauten Frau eine Abtreibung nahegelegt. Ein Kind sei eine zu schmale Basis für eine Ehe.
 

Doch als dies am zweiten Verhandlungstag bekannt wird, werden über dem Oberbürgermeister Kübel voller Moralin ausgeleert. Ausgerechnet jene, welche die Privatsphäre des Paars vor der Öffentlichkeit ausbreiteten (mit aktiver Unterstützung durch Redakteure des Hessischen Rundfunks und der Frankfurter Rundschau), zeigen sich empört. Für falsche Anschuldigungen war ihnen jedes Mittel recht. Für die Verteidigung hingegen entziehen sie dem Angeklagten jedes Argument. Es ist eine Koalition von Lügnern, Heuchlern und Intriganten.
 

An vorderster Front marschieren die Frankfurter Grünen mit. Es ist an der Zeit, dieser Partei einen bislang noch nicht gestifteten Negativpreis zu verleihen. Nämlich die „Baldur Springmann-Gedächtnismedaille“. Der Mitbegründer der norddeutschen Grünen war Mitglied in nahezu jeder NS-Organisation. Der spätere Öko-Landwirt distanzierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg nie von seiner Blut-und-Boden-Ideologie und seinem Rassismus, ja, er pflegte diese sogar weiter, kaschierte sie mit Umweltschutzparolen. Seine Mitarbeit in rechten Zirkeln setzt ihn bis heute, bis nach seinem Tod, dem Verdacht aus, ein aktiver Holocaust-Leugner gewesen zu sein.

 

Fazit: Ein NEIN zur Abwahl von Peter Feldmann ist auch ein NEIN gegen die Entsolidarisierung der Gesellschaft, gegen den Rechtstrend, gegen Willkür und Faschismus.

 

 

Klaus Philipp Mertens