Archiv "Vom Geist der Zeit" | Gesellschaft und Politik

Lateinamerikanische Tragödie

Paraguay

Rio Paraguay (c) MRG

Paraguay,

du Land der gewaltigen Ströme und der endlosen Wälder des Chaco,
du Hoffnung der Friedenssucher, gewaltlos,
Religionsgründer, Sägewerkbesitzer, Rinderzüchter,
Gesellschaftsveränderer gestaltlos
Himmel auf Erden.

Ihr Jesuiten, Gotteskrieger, kamt Frieden zu geben und
Zuflucht den Waldbewohnern, vor den Sklavenjägern eures Königs.
In den Händen der Guaranies verwandelten sich eure Ideen zu Kathedralen.
Ihr lobtet deren handwerkliches Geschick, die rasche Aneignung
des neuen Glaubens und die Bereitschaft des Teilens.

Ihr Romantiker, Reformer, Judenhasser, Neu-Germanen
die es zog in das vom Krieg zerstörte (menschen-) freie Land.
Kläglich scheiterte euer Reich, es sollte blühen als das Dritte in der Heimat.
Und abermals baten Einlass die Verfolgten, wenig später die Verfolger.
Denn weltweit war bekannt der Eingeborenen Geduld und Freundlichkeit.

Ich sah das Land verödet, wo einst Getreide und Kartoffel wuchsen,
sah Sojafelder soweit das Auge reichte, zur Mästung unsrer Schweine
und Zorn erfasste mich beim Anblick der Ruinen jener Städte der Gesellschaft Jesu,
die Kunst der einstgen Bewohner aber bewunderte ich. Und im geschaffenen Antlitz
ihrer Heiligen erkannte ich ihr eigenes, das der Kinder in den Gossen Asuncións .

In den großen Zeitungen des Landes suchte ich vergebens den Aufschrei.
Ich fand das Abbild zweier Männer, kumpelhaft umarmt von einem triumphierend dritten.
Der beiden Nachbarländer Präsidenten, vereint mit einem Makler, dem Volk wohlbekannt,
bereit zu teilen die Schätze ihrer Völker. Das Wasser und das Land. Die Beute der Jagd.
Doch ihr Gesicht trägt nicht die vertrauten Züge der Menschen.

Paraguay,du Land der gewaltigen Ströme
und der endlosen Wälder des Chaco,
ihr Menschen an den Ufern des Pilcomayo,
des Paraguay und des Paraná,
kennt ihr die Sprache des Zorns?
Ich höre euer Lied zur Harfe,  
dem Instrument des Volkes, ungebrochen.
Ungewohnt vertraut klingt eure Sprache,
wenngleich von mir, dem Fremden, unverstanden.
Und ich sehe wie der Begleiter dem Fahrer
den vollen Becher reicht, mit kühlem tereré,
auf dass dieser sich labe am bittren Getränk.
Der wiederum weitergibt den Kelch
mit dem Trinkrohr, das silberne,
der Frau, die, am Boden kauernd,
gierig trinkt. Und während der Bus
seinen geraden Weg durch die baumlose
Steppe nimmt, sehe ich, wie der Begleiter
aus der stets bereiten Kanne den Becher
wieder füllt mit frischem Wasser.
Um aufs Neue zu beginnen die Runde,
die Geste des Bundes, ungebrochen.

 

© Ernst Hilmer