Archiv "Vom Geist der Zeit" | Gesellschaft und Politik

Bauern, Bonzen, Braungewächs

Die Protestwelle der Bauern

Bauernprotest vor dem Brandenburger Tor © ARD

Die Aktivisten der „Letzten Generation“ können von demonstrierenden Bauern, die um den Verlust ihrer Privilegien und Subventionen fürchten, den erfolgreichen politischen Kampf lernen. Man behauptet, unverzichtbar, gar Ernährer der Nation zu sein. Darüber hinaus finanziert man Lobbyisten, die in Parlamenten und Ministerien die Richtlinien der Agrarpolitik bestimmen. Wer das Ende der Bundesrepublik an die Wand malt, geradezu heraufbeschwört, unterstützt von Nachfahren der NS-Mordgesellen, dem wird es leicht gemacht. Selbst die Nötigung von Minister Habeck wird lediglich als Verstoß gegen demokratische Regeln beklagt. Wer aber wie die „Letzte Generation“ die Klimakatastrophe samt ihrer gesellschaftlichen Kollateralschäden abwenden will, wird kriminalisiert.

 

Mich erinnern die Tumulte der Bauern an Hans Falladas Roman „Bauern, Bonzen und Bomben“ von 1931. Darin bedient sich der Autor eines historischen Stoffs, nämlich bäuerlicher Protestaktionen gegen Zwangspfändungen wegen Steuerschulden, die schließlich zum Lebensmittelboykott gegen die Stadt Neumünster führen. Mittendrin sind Deutschnationale sowie ehemalige Freikorps-Söldner der Brigade Ehrhardt und des Stahlhelms. Sozialdemokratische Funktionäre (Bürgermeister, Landrat) sowie eine Minderheit unter den Bauern schauen dem Treiben hilflos zu und erkennen nicht, dass ein Modell zur Machtergreifung der Nationalsozialisten durchgespielt wird.

 

Kurt Tucholsky urteilte unter seinem Pseudonym Ignaz Wrobel in der „Weltbühne“ über das Buch: „Ein politisches Lehrbuch der Fauna Germanica, wie man es sich nicht besser wünschen kann.“ Aber er kritisierte, dass die Hintergründe nicht präzise genug beschrieben würden: „Von den wirtschaftlichen Gründen bäurischer Notlage wird so gut wie nichts gesagt. Einmal ist das heikle Thema, dass die Bauern vielleicht intensiver wirtschaften sollten, um sich gegen die ausländische Konkurrenz anders als mit Schutzzöllen zu behaupten, leise angeschlagen; kein Wort davon, dass die Verdienste, die der Bauernschaft durch die Inflation in den Schoß gefallen sind, sie damals für lange Zeit hätten schuldenfrei machen können, es war jene Zeit, wo die Ledersessel und die Klaviere in die Bauernhäuser transportiert wurden. Und wo stehen die Bauern heute … also davon ist in dem Buch wenig zu spüren. Den Bauern gehts eben schlecht – und nun revoltieren sie.“ Und der Jurist Tucholsky erkennt: „Fast alles, was hier geschieht, beruht auf Nötigung oder Erpressung.“

 

Ja, so war es. Und so ist es jetzt wieder – falls die letzten Demokraten es zulassen.

 

 

Klaus Philipp Mertens