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Andrew Sayer: Warum wir uns die Reichen nicht leisten können

Gegen soziale Ungleichheit

Wussten Sie, dass eine nachmittägliche Spritztour mit einer Wally-Superyacht auf dem Mittelmeer schon einmal 10.000 Liter Sprit verbraucht und der Umwelt mehr Schaden zufügt als ein durchschnittlicher Afrikaner in seinem ganzen Leben? Oder dass in der Bishops Avenue, der zweitteuersten Straße Londons, ein Drittel der Häuser leer steht? Diese Häuser gehören reichen Ausländern, die damit zuhause Steuern sparen und zufrieden zuschauen, wie in London die Immobilienpreise durch die Decke gehen.

Während die soziale Ungleichheit immer größer wird, ist der Reichtum der Reichen weltweit förmlich explodiert. Die Ursache dafür sind dysfunktionale Mechanismen des Marktes, die es den 1 Prozent Superreichen ermöglichen, durch die Kontrolle von Eigentum und Kapital jenen Wohlstand abzuschöpfen, den andere produziert haben. Andrew Sayer zeigt in seinem provokanten Buch, wie das funktioniert und warum sich eine gerechte Gesellschaft diese Art von Reichtum nicht länger leisten kann.

Andrew Sayer ist Professor für Sozialwissenschaften und Politische Ökonomie an der Lancaster Universität in Großbritannien. Er beschäftigt sich in seinen Büchern mit dem Verhältnis von Ökonomie und Moral und den Folgen der Ungleichheit für eine demokratische Gesellschaft.

In der Einleitung zu seiner Analyse schreibt der Autor:
„Wir sind Zeugen eines außergewöhnlichen Phänomens. Seit Jahren setzen sich die Reichen immer deutlicher von allen anderen ab. Die obersten 1 % beanspruchen einen wachsenden Teil des Nationalvermögens, während der Anteil niedriger und mittlerer Einkommen unablässig schrumpft. Selbst die größte Krise seit 80 Jahren hat die Reichen nicht daran gehindert, noch reicher zu werden. Nach wie vor machen sie das große Geld und verstecken es in ihren Steueroasen, während die kleinen Leute marode Banken retten dürfen."

Zugleich breitet sich eine ganze andere Art von Banken aus, food banks, Essensausgaben für Leute, die nicht mehr über die Runden kommen. Die Sparpolitiken, die den obersten 10 % und vollends den obersten 1 % nichts anhaben konnten, haben die ganz unten am härtesten getroffen. Je weniger man für die Krise verantwortlich ist, desto größer sind im Verhältnis zum Einkommen die Opfer, die man bringen muss. Die Jugendarbeitslosigkeit ist sprunghaft gestiegen, in Spanien und Griechenland auf über 50 %. Die Zahlen stehen für eine empörende Verschwendung junger Leben, und in vielen Ländern ist längst klar, dass diese Jugendlichen nie den Wohlstand kennenlernen werden, den ihre Eltern noch genießen durften. Als wäre es nicht die lächerlichste Antwort auf unsere Wirtschaftsprobleme, noch mehr von dem wichtigsten Gut zu verschleudern, das wir besitzen: den Menschen.

Eine politische Klasse, die immer stärker unter dem Einfluss der Reichen steht, fährt unterdessen fort, deren Interessen zu vertreten und durch Stigmatisierung von Sozialhilfeempfängern und Geringverdienern die öffentliche Aufmerksamkeit von dieser Politik abzulenken – mit der Unterstützung von Medien, die ihrerseits weitgehend in der Hand von Super reichen sind.

Aber so unbestreitbar die Kluft zwischen den Reichen und dem Rest der Welt größer geworden ist – folgt daraus schon, wie im Titel dieses Buchs behauptet, dass wir uns die Reichen nicht leisten können?

Fürs erste nur eine knappe Antwort:
Ihr Reichtum beruht in erster Linie auf der Produktion von Gütern und Dienstleistungen durch andere. Abgeschöpft durch Dividenden, Kapitalgewinne, Zinsen, Mieten und andere ökonomische Renten, sind große Teile dieses Reichtums in Steueroasen versteckt. Die Reichen haben die Mittel, das Wirtschaftsleben, die Medien und die Politik ihrem Einfluss zu unterwerfen und schränken den Handlungsspielraum von Demokratien ein, indem sie ihre Sonderinteressen und Weltanschauungen durchsetzen.

"Sie pflegen einen maßlosen und verschwenderischen Konsum, der Ressourcen aufzehrt, die andere nicht bloß dringender bräuchten, sondern auch eher verdient hätten. Ihre CO²-Bilanz ist grotesk überhöht, und viele von ihnen haben ein handfestes Interesse an der Fortsetzung einer fossilen Energieerzeugung, die unseren Planeten bedroht.“

A.S.


Bibliografischer Hinweis

Andrew Sayer
Warum wir uns die Reichen nicht leisten können

Gebunden
477 Seiten mit 15 Grafiken und Abbildungen

Erschienen im September 2017

ISBN 978-3-406-70852-7

Verlag C. H. Beck, München

Ladenpreis 27,95 Euro