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Wir brauchen keine grünen Taliban

Anmerkungen zu „Letzte Generation“ und anderen Verirrten

Aktivisten der Letzten Generation blockieren innerstädtische Straße © Creative Commons Attribution 4.0 International License

Sie nennen sich „Letzte Generation“ und gelten als militante Klimaschützer. Doch ihre Aktionen sind disparat und es fehlt ihnen jeglicher inhaltliche Bezug zu den Problemen, die sie zu Recht kritisieren und die sie beseitigen wollen. Denn wer sich auf einer Autofahrbahn festklebt, stört zwar kurzzeitig den Verkehr. Aber er schafft kein neues Bewusstsein. Weder bei denen, welche die Folgen einer seit Jahrzehnten irre geleiteten Verkehrspolitik ausbaden müssen und denen kaum Alternativen zum Individualverkehr bleiben. Noch bei jenen, denen das Schicksal der Menschheit gleichgültig ist. Wer strukturelle Veränderungen durchsetzen will, die eine Neuverteilung der politischen Macht einschließlich des neuen Stellenwerts gemeinwirtschaftlicher Prinzipien bedeuten würde, darf nicht dilettantisch vorgehen. Sondern muss listig sein, was nichts anderes bedeutet, als intelligent, geistesgegenwärtig, anpassungsfähig, kenntnisreich und kreativ zu sein.
 

Das sich Herabseilen von Autobahnbrücken auf Fahrbahnen und das sich Festkleben auf Straßen zeigen einen gravierenden Realitätsverlust, der die Aktion zum Ziel erklärt, ihren Zweck aber nicht erläutert. Ebenso fehlt den infantilen Kunstzerstörungen jeder revolutionäre Ansatz. Das Übersprühen von Bildern und anderen Museumsexponaten erinnert vielmehr an die Taliban in Afghanistan, die steinerne Zeugnisse ihrer Landesgeschichte unwiederbringlich zerstört haben. Und damit ihre Vergangenheit leugneten, weil sie sie diese der Möglichkeit zur Reflexion, also der ständigen dialektischen Infragestellung, berauben und ihre Zukunft auf religiösen Fanatismus, Dummheit und Gewalt gründen wollen.
 

Die notwendige Umkehr, die auf sämtlichen Ebenen und nicht zuletzt zur Verhinderung einer Klimakatastrophe greifen muss, benötigt keine grünen Taliban. Sie ist auf eine für jedermann verständliche Idee angewiesen, die überzeugen und sich letztlich selbst erklären kann. Und sie muss alles beim Namen nennen, was die Katastrophe befördert. Im Straßenverkehr wären das beispielsweise die SUVs, der deutschen Spießer ganzer Stolz.
Da die meisten Vehikel dieser Art völlig durchdigitalisiert sind, ließen sich durch raffinierte Programme, die durch Funksignale übermittelt würden, Tausende zur selben Zeit demobilisieren. Nach dem Motto „Deutschland schläft am Steuer ein, damit es anders und besser aufwachen kann.“ Oder so ähnlich.
Unter dem Leitspruch „Wessen Welt ist die Welt?“ ließen sich Fußgängerkolonnen organisieren, die in Großstädten auf Übergängen ein permanentes Grün erzwängen. Ein Strom der Menschen, der sich gegen den Strom der Blechkisten wehrt.
 

Ja, es bedarf ständiger Hi-Ha-Happenings in der Tradition der demokratischen Kampfformen der 68er-Proteste. Idealerweise vermischt mit der passiven Kampftechnik der chinesischen Strategeme, einer erfolgversprechenden Handlungsweise der Schwachen. Allerdings deutlich moderner, deutlich erfolgsorientierter. Schließlich geht es um die Rettung der Welt.

 

Die Mitwirkenden der „letzten Generation“ werden diese kreative Phantasie nach Lage der Dinge nicht aufbringen können. Denn sie haben sich in einer reaktionären Innerlichkeit verriegelt, suchen vergeblich nach Rechtfertigung für ihr destruktives Verhalten und trösten sich mit einer bereits somatisch anmutenden Selbstbefriedigung. Ja, im Extremfall schaffen gerade sie die Voraussetzungen, um das Ende der Zeiten noch schneller herbeizuführen. Den Hau-drauf-Ideologen der CDU, die bereits nach massiven Strafen rufen, liefern sie die Argumente und verschleppen dadurch die notwendige Auseinandersetzung mit den ewig Gestrigen und deren Ideologien.
 

Vergessen wir diese „letzte Generation“, sorgen wir dafür, dass es niemals eine letzte Generation geben wird, dass das Leben dynamisch, endlos und für alle gerecht verlaufen wird.

 

Klaus Philipp Mertens