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In Frankfurt unterwegs mit TikTok

Empfehlungen von zweifelhafter Qualität

TikTok – Logo in China © ByteDance

 

Mit einem Bericht über TikTok, der wie eine Anzeigensonderveröffentlichung anmutete, aber als journalistisches „Thema des Tages“ etikettiert wurde, dokumentierten die Verantwortlichen der FR-Redaktion „Frankfurt / Rhein – Main“ am 27. Januar, dass die internationale Expertendiskussion über diese Videoplattform an ihnen spurlos vorbeigegangen ist.
Die kunstlose Anpreisung von Gaststätten oder Ramschläden mag noch als ungeschulter Geschmack aller direkt und indirekt Beteiligten durchgehen. Kritische Konsumenten mögen diese Empfehlungen sogar als Warnungen verstehen, was einen unbeabsichtigten positiven Nebeneffekt hätte. Nicht hinzunehmen ist hingegen das Totschweigen der gravierenden Vorwürfe, die gegen TikTok erhoben werden.

 

Erst am 10. Januar dieses Jahres hatten die EU-Kommissare für Wettbewerb, für Inneres und für Justiz den TikTok-Chef Shou Zi Chew in Brüssel auf anhaltende Rechtsverstöße hingewiesen und deren unverzügliche Unterlassung gefordert. Zu den Delikten zählen der nach EU-Standards mangelnde Daten- und Jugendschutz, die Verbreitung von Fake News, die Werbung für Produktpiraterie, ausufernde jugendgefährdende Inhalte sowie die verbotene Weitergabe von Nutzerprofilen. Zudem weisen Indizien auf politische Zensur hin. Es besteht auch der begründete Verdacht, dass durch die Datenschutzgrundverordnung geschützte personenbezogene Daten an den chinesischen Staat übermittelt werden. Letzteres erfüllt gemäß EU-Recht in einigen Fällen sogar den Straftatbestand der Spionage. Ermittlungsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten stufen TikTok als Instrument des gezielten sexuellen Missbrauchs Minderjähriger ein.

 

Angesichts des neuen EU-Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), das für große Plattformen ab dem 1. September dieses Jahres verpflichtend ist, kündigten die Kommissare an: „Wir werden nicht zögern, alle möglichen Sanktionen zu beschließen, wenn Prüfungen nicht die volle Einhaltung erkennen lassen“.
 

In den USA wird bereits intensiv über ein Verbot der Plattform diskutiert. Dort ist die App mittlerweile auf Diensttelefonen von Regierungsmitarbeitern verboten, auch immer mehr US-Bundesstaaten haben sich zu ähnlichen Maßnahmen entschlossen.

 

TikTok gehört zur Unternehmensgruppe ByteDance mit Hauptsitz in Peking, die ihren juristischen Sitz aber im „Steuerparadies“ Cayman Islands hat.

 

Klaus Philipp Mertens