Das kritische Tagebuch

Wer ist eigentlich korrupt?

Anmerkungen zur Causa Peter Feldmann

Peter Feldmann äußert sich zu Vorwürfen © MRG

Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung spricht mehrheitlich (Grüne, FDP, SPD, Volt, CDU und AfD) dem direkt gewählten Oberbürgermeister Peter Feldmann das Misstrauen aus. Und kündigt, da er darauf nicht eingeht, ein Amtsenthebungsverfahren an. Die dafür genannten Gründe (bislang nicht rechtlich bestätigter Verdacht der Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung in mehreren Fällen) entsprechen nicht den Normen des Rechtsstaats, weil sie die Unschuldsvermutung des Strafprozessrechts und damit das Gewaltmonopol des Staats infrage stellen.

Die voyeurịstisch verbreiteten sexistischen Sprüche, die Feldmann während eines Flugs von sich gab, fallen juristisch in die Kategorie Beleidigung; Strafanträge der betroffenen Frauen liegen nicht vor. Vielmehr erwecken sämtliche Anschuldigungen den Anschein, dass Peter Feldmann, dessen Sozialpolitik auch in der eigenen Partei auf Widerstand stößt (vor allem bei Funktionären und Mandatsträgern, die eng mit der Immobilien- und Finanzwirtschaft verflochten sind), aus dem Amt gedrängt werden soll.

 

Vordergründig geht es um Feldmanns Ehefrau Zübeyde Temizel. Sie wurde 2015 als Leiterin einer deutsch-türkischen Kita eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch nicht mit Peter Feldmann verheiratet; die Ehe wurde im darauffolgenden Jahr geschlossen. Nach zwei Jahren, 2017, hatte sie bereits die Endstufe der Tarifgruppe erreicht und somit ein erhöhtes Gehalt erhalten. Ab 2016 verfügte sie zudem über einen Dienstwagen (untere Mittelklasse), der auch privat genutzt werden konnte. Allerdings enthalten auch Haustarife und der TVöD Öffnungsklauseln im Sinn der Vertragsfreiheit des BGB. Andernfalls könnten der öffentliche Dienst und gemeinnützige Organisationen keine Experten aus anderen Branchen und Laufbahnen einwerben.

 

Peter Feldmann, seit 2012 Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, soll die berufliche Karriere seiner Frau durch Absprachen mit dem Arbeitgeber, dem Frankfurter Kreisverband der AWO, gefördert und dadurch sein Amt missbraucht haben. Er bestreitet diesen Vorwurf. Und verweist zusätzlich darauf, dass die Zeiten vorbei seien, als ein Ehemann die Verträge seiner Frau zu genehmigen, gar zu kontrollieren hatte.

 

Als die Beweislage sich als unhaltbar herausstellte, wurde ein weiterer Verdacht nachgeschoben. Funktionäre der Frankfurter AWO sollen für den OB-Wahlkampf 2018 Spenden eingeworben haben. Das wäre absolut legal gewesen. Obwohl die AWO gar nicht beteiligt war (die Prüfung der Kasse belegt das), wurde öffentlichkeitswirksam kolportiert, der Oberbürgermeister hätte als Gegenleistung versprochen, die Interessen der AWO künftig wohlwollend zu berücksichtigen. Peter Feldmann wehrt sich auch gegen diese Unterstellung, zumal die Einlösung des angeblichen Versprechens, noch nicht einmal der Versuch, nachzuweisen sind.

 

Trotz unzureichender Beweislage ermittelte die Frankfurter Staatsanwaltschaft auch über den sogenannten Anfangsverdacht hinaus. Whistleblower berichten von Einflussnahmen aus der Politik. Die unlängst entlassene Justizministerin soll die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Weisungsbefugnis aufgefordert haben, das Ermittlungsverfahren fortzusetzen und dem zuständigen Landgericht eine Anklageschrift zu übergeben. Das ist auch geschehen.

 

Die tonangebenden Frankfurter Medien unterstützen die Rebellion von Stadtverordneten und Magistrat und verstoßen gegen Grundsätze journalistischer Ethik. Als Leserin der Frankfurter Rundschau (FR) fällt mir auf, dass in den Berichten und Kommentaren der Lokalredaktion permanent die vermeintlichen Fehltritte Feldmanns beleuchtet werden und Unverständnis darüber verbreitet wird, dass er sich den Rücktrittsforderungen nicht beugen will. Seine Leistungen und werden entweder verschwiegen oder nur am Rande erwähnt. Beispielsweise kostenfreie Kitas, kostenloser Besuch für Kinder in Schwimmbädern und Museen, Forderungen nach bezahlbarem Wohnen, Deckelung der Mieten bei der ABG.

 

Der Schriftsteller Eric Reger forderte vor 100 Jahren, dass Journalisten und Schriftsteller auf der Seite der Beherrschten und nicht auf der Seite der Herrscher stehen müssten. Auf wessen Seite steht die FR?

 

Für den Hessischen Rundfunk scheint eine solche Frage eindeutig beantwortbar zu sein: Journalisten des Senders verschafften sich illegal Zugang zu Zübeyde Feldmanns AWO-Personalakte und machten sie öffentlich. Frau Feldmann hätte das Recht gehabt, gegen diese Verletzung ihres Anspruchs auf Datenschutz zu klagen und sogar Schmerzensgeld zu fordern.

 

Juliane Schätze