Das kritische Tagebuch

War die Abwahl illegal?

Und die Neuwahl eines Frankfurter Oberbürgermeisters auch?

Illegal vom HR beschaffte und in der „Hessenschau“ veröffentlichte Personalstammakte von Zubeyde Feldmann © AWO Frankfurt am Main

 

Die wahlberechtigten Frankfurter waren am 5. März zur Wahl eines Oberbürgermeisters oder einer Oberbürgermeisterin aufgerufen. Die Kandidaten von CDU (Uwe Becker) und SPD (Mike Josef) hatten die meisten Stimmen erhalten und werden sich am 26. März einer Stichwahl stellen. Wird mit deren Ergebnis das Kapitel „Peter Feldmann“ ein Ende finden? Möglicherweise nicht.

 

Denn dessen Abwahl am 6. November 2022 wirft weiterhin Fragen auf. Fragen, die von Grünen, SPD, CDU, FDP und Volt bislang weder gestellt noch beantwortet wurden.

 

Die Ansetzung eines Bürgerentscheids mit dem Ziel der Abwahl Peter Feldmanns hatte die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung unter Vorsitz von Hilime Arslaner (Grüne) am 14.07.2022 beschlossen. Als Begründung wurde von der Vorsteherin ein Strafverfahren gegen Feldmann wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung genannt.

 

Konkret ging es um einen Arbeitsvertrag, den Zubeyde Feldmann; Ehefrau des Oberbürgermeisters, mit der AWO geschlossen hatte. Dessen Konditionen seien deutlich von den üblichen Vergütungen abgewichen. Allerdings lässt auch das AWO-Tarifgefüge Öffnungsklauseln zu. Beispielsweise bei der Besetzung neuer Abteilungen mit besonderen Arbeitszielen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt mutmaßte jedoch, dass der Vertrag nur geschlossen worden sei, weil der Ehemann das Amt des Oberbürgermeisters ausübte und man sich seitens der AWO davon Vorteile versprach. Außerdem soll Peter Feldmann einer Gruppe von AWO-Sympathisanten eine politische Gegenleistung für das Einsammeln von Spenden zugunsten seines Wahlkampfs 2018 in Aussicht gestellt haben.

 

Zum Zeitpunkt des Parlamentsbeschlusses war das Verfahren noch nicht eröffnet. Folglich lag auch kein rechtskräftiges Urteil gegen Peter Feldmann vor. Gegen das Urteil vom 23. Dezember 2022 hat der mittlerweile abgewählte Oberbürgermeister Revision eingelegt, da es eine Vielzahl formaler und inhaltlicher Rechtsfehler aufweise. Somit galt und gilt für ihn weiterhin die Unschuldsvermutung.

 

Eine solche ist elementarer Bestandteil unserer Rechtsordnung, die Artikel 6, Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention uneingeschränkt übernimmt. Wer diesen Rechtsgrundsatz bewusst und öffentlich negiert, bestreitet das Gewaltmonopol des Staats und propagiert faktisch eine Lynchjustiz.

 

Nach meiner Kenntnis wurde zwischenzeitlich von mehreren Seiten gegen Frau Arslaner als Vorsteherin der Stadtverordnetenversammlung Beschwerde wegen des Beschlusses, einen Bürgerentscheid trotz Unschuldsvermutung anzusetzen, eingelegt. Aus formalrechtlichen Gründen beim Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg; denn die Menschenrechtskonvention ist Teil des EU-Rechts.

 

Parallel dazu sind dem Vernehmen nach mehreren Staatsanwaltschaften Strafanträge zugeleitet worden. Darin beklagen Bürger, dass ihr Wählerwille, den sie bei der Oberbürgermeisterwahl 2018 geäußert hatten, nämlich dem Kandidaten Peter Feldmann für eine gesamte Legislaturperiode das Vertrauen auszusprechen, willkürlich übergangen wurde. Der Bürgerentscheid ohne justiziablen Anlass sei ein Willkürakt und erfülle die Straftatbestandsbeschreibungen von § 90 b StGB (Verunglimpfung einer staatlichen Institution, konkret eines entsprechend der Hessischen Gemeindeordnung ordentlich gewählten Oberbürgermeisters) und stelle zudem eine parlamentarische Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols (Art. 20 GG) dar.

 

Sollten die Anzeigen und Beschwerden erfolgreich sein, könnte die Abwahl von Peter Feldmann nicht legal gewesen sein und zu strafrechtliche Konsequenzen gegen die Verursacher führen. Inwieweit die Neuwahl vom 5. März einschließlich der für den 26. März terminierten Stichwahl nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach bzw. entspricht, ist nur im Zuge eines komplexen Verwaltungsverfahrens zu klären.

Klaus Philipp Mertens