Einzelartikel aus „https://bruecke-unter-dem-main.de - Frankfurter Netzzeitschrift“

Das kritische Tagebuch

Von toxisch-grün bis indifferent

Im Frankfurter Magistrat verderben viele Köche den Brei

Am Jahresende 2024 lobten Lokalredakteure der „Frankfurter Neuen Presse“ die Arbeit von Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) sowie der Dezernenten Ina Hartwig (Kultur, SPD), Bastian Bergerhoff (Finanzen, Grüne) und Nargess Eskandari-Grünberg (Diversität, Bürgermeisterin, Grüne). Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) musste hingegen Tadel einstecken. Der Frankfurter Straßenverkehr sei von Chaos geprägt. Neue Radwege führten zu Verteilungskämpfen zwischen Auto und Rad, was zu Lasten von Einzelhändlern, Fußgängern und der Verkehrssicherheit in Wohngebieten ginge. Gesetzwidrig abgestellte E-Roller seien zu einer wahrhaften Plage geworden, weil zu wenig kontrolliert würde. Als zwar im Schatten stehend, aber doch verhalten positiv bewerteten sie Eileen O’Sullivan (Digitales, Volt), Annette Rinn (Ordnung, FDP), Tina Zapf-Rodrigues (Klima & Umwelt, Grüne), Elke Voitl (Soziales und Gesundheit, Grüne), Stephanie Wüst (Wirtschaft, FDP) und Marcus Gwechenberger (Planung & Wohnen, SPD). Lediglich die Leistungen von Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) wurden erbittert und unversöhnlich kritisiert.

 

Daraufhin habe ich als aufmerksamer Beobachter der politischen Vorgänge die Stadtspitzen selbst unter die Lupe genommen. Und gelangte zu anderen Bewertungen.

 

Oberbürgermeister Mike Josef
Er erweckt den Eindruck eines Mannes ohne Eigenschaften, der das gewisse Nichts verkörpert. Seine öffentlichen Äußerungen gehen über das Selbstverständliche nicht hinaus. Innovatives sucht man darin vergeblich. Sie sind inhaltlich substanzlos und formal kunstlos. Akzente für ein künftiges Frankfurt will oder kann er nicht setzen. Man vermisst die Erzählung von einer Großstadt mit internationalen Anbindungen, die von einer auf Zukunft angelegten Ökonomie sowie von einer modernen Verkehrsinfrastruktur, vorzugsweise dem ÖPNV, geprägt ist. Und deren Mobilitätsverständnis nicht nur die Verkehrsmittel beinhaltet, sondern auch die Verkehrsziele. Also Stätten der Kommunikation und der Bildung, der Versorgung mit allen Arten an Konsumgütern, Behörden, Unternehmen und diverse Kulturangebote, nicht zu vergessen Wohnraum für alle, die das Ganze am Laufen halten.

 

Für das Führen höherer Stäbe scheint Mike Josef die Eignung zu fehlen. Denn würde er über eine solche verfügen, hätte er beispielsweise angeordnet, dass Kämmerer Bastian Bergerhoff den von Dezernentin Sylvia Weber unterzeichneten Mietvertrag über Büroräume in der Hedderichstraße entweder ebenfalls unterschreibt oder ihn gut begründet verwirft. Und zwar innerhalb der üblichen Frist von wenigen Tagen bis längstens zwei Wochen –  sich also nicht ein Jahr Zeit lässt und einen politischen Privatkrieg gegen seine Kollegin führt. 

 

Mike Josef wird innerhalb der SPD nachgesagt, sich an der Intrige gegen Peter Feldmann maßgeblich beteiligt zu haben. Und anscheinend nicht abgeneigt ist, sich in weitere Hinterhältigkeiten einzumischen, falls er daraus persönliche Vorteile ziehen kann.

 

Kulturdezernentin Ina Hartwig
Als sie Literaturredakteurin der FRANKFURTER RUNDSCHAU war, fiel sie durch frei gewählte Isolierung auf. Sie schloss sich in ihrem Büro ein bzw. weg. Als Kulturdezernentin praktiziert sie das mittlerweile im Deutschordenshaus. Man darf sich fragen, ob sie sämtliche relevanten Informationen erreichen und ob sie diese mit einem qualifizierten Stab erörtert.
In besonders sensiblen Bereichen wie Schauspiel, Oper und Literaturhaus, die das Frankfurter Kulturverständnis für alle sichtbar abbilden, beschäftigt sie an wichtigen Stellen Mitarbeiter, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Dort wird eine extrem schlichte und unpräzise Form der Kommunikation praktiziert, das sogenannte Gendern. Dieses hat bekanntlich nichts mit Moderne oder positivem Zeitgeist zu tun, sondern mit Bildungsferne. 

 

Als die von ihr einberufene Stabsstelle für den Neubau der Theateranlage die ersten Gutachten öffentlich präsentierte, fiel die Dezernentin durch Unkenntnis von entscheidenden Details der Baubestandsaufnahme auf. Dennoch plädierte sie aus Kostengründen für einen Neubau – wiederum ohne Bezug zur „Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – VOB“. Drei Jahre später belaufen sich die Kosten vorläufig auf 1,3 Milliarden Euro. Eine Totalsanierung der Doppelanlage würde sich hingegen auf nur wenig mehr als die Hälfte belaufen. Die hohen Ausgaben werden mit der projektierten „Kulturmeile“ gerechtfertigt. Also einer relativen Nachbarschaft von Museen am Mainufer, der neugebauten Oper am Willy-Brandt-Platz und dem Neubau des Schauspiels nahe der Taunusanlage. Doch Theater und andere Kulturhäuser scheitern selten an ihrer Lage (es sei denn, es gäbe keine Verkehrsanbindungen) oder an Baulichkeiten noch an deren Aufeinanderfolge (man muss sich ohnehin entscheiden, ob man am selben Tag ins Theater, in die Oper oder ins Museum will). Vielmehr scheitern sie an den Herausforderungen der Bühne, an unzulänglichen Intendanten, Regisseuren, Schauspielern und auch am mangelhaften Bildungsniveau der Zuschauer (das sich erfahrungsgemäß in der Politik abbildet und in einem ständigen Kreislauf immer neue Dummheiten produziert).
Ina Hartwig lässt trotz des 1,3 Milliarden Euro-Etats (die Aufwendungen werden sich mutmaßlich noch deutlich erhöhen) völlig außer Acht, für wen sie eigentlich bauen will. Wenn man die verkauften Eintrittskarten in Relation setzt zu den Abonnenten und den Inhabern von Schauspiel-Card sowie den verkauften Normalkarten, kommt man auf maximal 35.000 Einzelpersonen, welche die bisherige Theaterdoppelanlage jährlich besuchen. Das sind weniger als fünf Prozent der Frankfurter Einwohner. Angesichts anderer finanzieller Lasten, welche die Kommune in den nächsten Jahren hinsichtlich der Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung und Schulen aufzubringen hat, mutet dieses Bauprojekt als nicht in die Zeit passend an. 

 

Kämmerer Bastian Bergerhoff
Buchhalter sind lediglich die Steigbügelhalter des Kapitals. Dieser Kultspruch aus der Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts hat nichts von seiner Gültigkeit verloren. Wenn die Wirtschaftskraft nachlässt, lassen sich Mindereinnahmen nicht schön rechnen; ein gut geführtes Journal ist objektiv und desillusionierend. Bei dem 1,3 Milliarden-Projekt Oper & Theater hoffen Magistrat und Kämmerer auf eine Beteiligung des Landes. Im vorläufigen Landeshaushalt ist eine solche Unterstützung bislang nicht ausgewiesen. Oder gibt es einen gemeinsamen Sonderhaushalt von Stadt und Land? Falls ja, warum äußert sich der Kämmer dazu nicht?
Ein begründetes und schnelles Reagieren scheint nicht zu den Tugenden von Bastian Bergerhoff zu zählen. Für die Unterschrift eines Mietvertrags bzw. für deren Verweigerung ließ er sich ein Jahr Zeit. Letzteres erweist sich gemäß Aktenlage als erfolgreiches Intrigieren gegen seine Magistratskollegin Sylvia Weber. Einen Preis für Glaubwürdigkeit wird Bergerhoff nie verliehen bekommen. Und ob er ein gewissenhafter Buchhalter ist, bleibt noch offen.

 

Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert
Er erweckt den Eindruck, dass das Fahrrad der Problemlöser im Großstadtverkehr wäre. Und übersieht dabei, dass der Fußgänger der ursprüngliche und umweltverträglichste Verkehrsteilnehmer ist. Diesem Fußgänger mutet er Unzumutbares zu. Ja, er beschneidet ihm das Recht auf Fortbewegung, Gesundheit und Sicherheit. Denn nach wie vor bedrängen E-Scooter-Fahrer Passanten auf Gehwegen und stellen ihnen in grob fahrlässiger Weise Stolperfallen vor Überwegen und B-Ebenen. Auch ein nennenswerter Teil der Radfahrer erweist sich als rücksichtslos, sogar als gewalttätig. Die städtische Verkehrspolizei, die im Mobilitätsdezernat angesiedelt ist, kontrolliert zu wenig. Mutmaßlich fehlt es ihr an Personal. Die Einführung einer Kennzeichenpflicht (bei E-Rollern über das Versicherungszeichen hinaus), der Nachweis von Kenntnissen der Straßenverkehrsordnung (analog der Prüfbescheinigung für Mofa-Fahrer) und eine allgemeine Gefährdungshaftung (damit berechtigter Schadensersatz durchgesetzt werden kann) müssten erste Antworten auf eine Problematik sein, die durch Leichtfertigkeit der Behörden entstanden ist. Die Stadt Frankfurt könnte das nicht allein regeln. Aber sie könnte dazu unüberhörbare Anstöße geben. Doch im Mobilitätsdezernat ist man anscheinend nicht an nachhaltigen Lösungen interessiert. Möglicherweise aus Rücksicht auf eine grüne Wählerschaft, die sich auf einen Fahrradkreuzzug begeben hat und mit dem Schwert missionieren will. 

 

Frankfurt leidet wie andere Großstädte unter dem Autoverkehr. Es bewegen sich zu viele Fahrzeuge in der Stadt und ihre Abgase sind für den Klimawandel in hohem Maße mitverantwortlich. Als bislang erfolgreichstes Mittel dagegen gelten Zufahrtsverbote und Maut. Immer mehr Metropolen praktizieren das. Wolfgang Siefert aber lässt jeden Pendler rein, reduziert die ohnehin knappen Parkplätze in der inneren Stadt zu Gunsten von Radfahrern und verursacht dadurch einen Umgehungsverkehr, der sich in Wohnvierteln besonders negativ bemerkbar macht. In Stadtteilen, die dem Zentrum nahe liegen, gehört Aufparken auf Gehwege und das Zustellen von Einfahrten mittlerweile zum Alltag. Obwohl diese Ordnungswidrigkeiten juristisch geahndet werden müssen, unternimmt das Straßenverkehrsamt zu wenig. 

 

Die Genehmigung größerer Baumaßnahmen, die zwangsläufig zu Verkehrsbeeinträchtigungen führen und darum zu koordinieren sind, überfordert offenbar die intellektuelle Struktur dieser Behörde. Der städtebaulich überflüssige Umbau des Hohlbeinkreisels, dessen negative Folgewirkungen das gesamte Sachsenhausen betreffen, ist ein typisches Beispiel für eine überforderte Behörde. Die monatelangen katastrophalen Verhältnisse in der Textorstraße und am Lokalbahnhof belegen, dass es sich nicht um singuläres, sondern um symptomatisches Versagen handelt.
Die Grünen und ihr Mobilitätsdezernent müssen sich nachsagen lassen, im Bereich des Straßenverkehrs eine rücksichtslose Ellbogengesellschaft heraufbeschworen zu haben. Ich kenne Herrn Siefert nicht persönlich. Ich kann seine Arbeit nur beurteilen anhand seiner Handlungen und Unterlassungen. Und diese sprechen weder für ihn noch für die Frankfurter Grünen.

 

Bildungsdezernentin Sylvia Weber
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Hessen hat unlängst in einer Pressemitteilung der Dezernentin attestiert, für die Schulen mehr getan zu haben als sämtliche ihrer grünen Vorgängerinnen. Ich zitiere:

 

„Die Umstände um einen umstrittenen Mietvertrag für das Bildungsdezernat zum Anlass zu nehmen, die Dezernentin anzugreifen statt das Verfahren zu einem für alle Beteiligten zufriedenstellenden Ergebnis zu bringen, ist ein schlechtes Beispiel für Politik in dieser Stadt. Wer, wie die CDU es tut, gar den Rücktritt der Bildungsdezernentin fordert, hat einen merkwürdig verkürzten Blick auf die Lage der Bildungseinrichtungen.
Tatsächlich fehlt es an allen Ecken und Enden: an Neubauten, an Sanierungen oder an Grundstücken. Nur sollten die Proteste nicht von denen ausgenutzt werden, die die Probleme verursacht haben.
Es sei daran erinnert, dass das Bildungsdezernat 27 Jahre in der Verantwortung der Grünen war, so lange wie sonst kaum ein anderer Regierungsposten weit und breit.
In dieser Zeit wurde - wie fast in der gesamten Republik – die Infrastruktur in erheblichem Maße vernachlässigt, Personal abgebaut und in Gemeineigentum befindlicher Grund und Boden privatisiert, sodass heute die Grundstücke teuer angemietet werden müssen.
Die Sünden der Vergangenheit, die Jahrzehntelangen Verschleppungen müssen jetzt korrigiert werden! Und das ist bekanntermaßen teurer und aufwendiger als bei rechtzeitigem Handeln!
Dafür braucht es aber die Unterstützung des gesamten Magistrats für die von Dezernentin Weber eingeleitete Schulbauoffensive statt Ablenkungsmanöver.
Denn eins kann jetzt schon festgehalten werden. Noch nie wurden von dem Frankfurter Bildungsdezernat so viele Bau- und Sanierungsvorhaben gestemmt wie seit Amtsantritt von Frau Weber vor 8 Jahren. Mit dazu beigetragen hat auch das vor 7 Jahren neu geschaffene Amt für Bau und Immobilien (ABI), damals unter dem CDU-Dezernenten Schneider.“

 

Dem ist nichts hinzuzufügen. 

 

Außer – wegen der Mietsache – ein Hinweis auf die Hessische Gemeindeordnung, die für Verträge der Kommunen ein bestimmtes Prozedere vorschreibt. Im Fall einer Großstadt wie Frankfurt nämlich die Unterschrift sowohl des fachlich zuständigen Magistratsmitglieds als auch des finanziell verantwortlichen Stadtrats. Gegebenenfalls die des Oberbürgermeisters. 
Die Vermieterin der Räume in der Sachsenhäuser Hedderichstraße verfügt nachweislich über gute Beziehungen zu einer grünen Politikerin, die sich bereits mehrfach für die Aufhebung des Frankfurter Baulandbeschlusses eingesetzt hat und über Verbindungen zur Investorengruppe INSTONE verfügt. Möglicherweise hat das den Vermieter zu einer Schadensersatzklage ermuntert, die formaljuristisch keine Aussichten auf Erfolg hat. Jetzt, wo das Investitionshemmnis Peter Feldmann weg ist, wagt sich das Bündnis aus Kommerz und Politik wieder aus der Deckung und versucht, seine Interessen brutal durchzusetzen.

 

Von den Dezernentinnen Nargess Eskandari-Grünberg, Eileen O‘Sullivan, Annette Rinn, Tina Zapf-Rodrigues, Elke Voitl und Stephanie Wüst sowie von Planungsdezernent Marcus Gwechenberger weiß man als aufmerksamer Beobachter, dass sie vorhanden sind. Frau Eskandari-Grünberg ist dafür bekannt, sich gern ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu drängen. Erhellendes vermag sie dann jedoch kaum beizutragen. Ohnehin ist Substanzielles von keiner und keinem dieser Magistratsmitglieder zu vermelden. Es hat den Anschein, dass auch in Frankfurt viele Köche den Brei verderben. Nämlich Parteien mit zu unterschiedlichen Zielvorstellungen.

 

 

Klaus Philipp Mertens