Die vorläufige Außerkraftsetzung des „Compact“-Verbots durch das Bundesverwaltungsgericht lässt Zweifel an dessen juristischer Kompetenz aufkommen. Denn die Verbotsverfügung basiert auf dem Vereinsgesetz, das Vereine und Gesellschaften zur strikten Einhaltung der Verfassung verpflichtet (Artikel 9, Absatz 2 des Grundgesetzes). Das Bundesinnenministerium unter Leitung von Ministerin Nancy Faeser hat das Verbot mit dem Gutachten des Verfassungsschutzes begründet, das Verlag und Redaktion der Zeitschrift als gesichert rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich einstuft. Die Einschätzung beruht auf exemplarischem und nicht anzweifelbarem Beweismaterial. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Reaktion von Frau Faeser nicht. Sie hätte dem Gericht die Leviten lesen und insbesondere eine korrekte formalrechtliche Begründung der Entscheidung verlangen müssen.
Denn die vom BVerwG erwähnte und vom Grundgesetz geschützte Presse- und Meinungsfreiheit ist kein Freibrief zur Diffamierung anderer. „Compact“ schmäht seit seinem Erscheinen die demokratischen Institutionen dieses Landes und führt einen Feldzug gegen Politiker, Publizisten und Künstler, die sich gegen den Rechtsblock positionieren. Wer als Richter und Richterin diese Tatsachenlage nicht zur Kenntnis nehmen will oder kann, sollte sein Berufsverständnis infrage stellen. Eine Neuauflage der politischen Justiz wie in der Weimarer Republik muss verhindert werden (Quelle: Heinrich Hannover, Politische Justiz 1918 – 1933, Frankfurt am Main 1966).
Im Zusammenhang mit der rechtsextremen Publizistik müssen sich das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium jedoch vorwerfen lassen, seit über zehn Jahren die braun-blaue antidemokratische Propaganda nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und folglich verharmlost zu haben. Denn gegen jede Einzelnummer von „Compact“ wäre ein Strafantrag wegen des Verdachts der Volksverhetzung nötig und möglich gewesen (§ 130 StGB). Und in den allermeisten Fällen hätte es zu einer Verurteilung gereicht. Im Gegensatz zur Auffassung des BVerwG standen und stehen keine milderen Maßnahmen gegen nationalistische und rassistische Unterwanderung der Gesellschaft zur Verfügung, sondern es wurde insgesamt zu nachlässig und zu dilettantisch auf die Bedrohungen reagiert.
Klaus Philipp Mertens