Das kritische Tagebuch

Gemeinsam mit Putin gegen Moral und Verstand

Sahra Wagenknecht kritisierte im Bundestag die Sanktionen gegen Russland

Sahra Wagenknecht kritisiert im Bundestag die Sanktionen gegen Russland © MDR

Sahra Wagenknechts Rede im Deutschen Bundestag erinnert mich an Äußerungen, die mitunter an Stammtischen und in Bierzelten zu hören sind: „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…“. Bei ihr lautet diese menschenverachtende Phrase sinngemäß: „Ich bin mit Putins Vorgehen in der Ukraine nicht einverstanden, aber dieses ist noch kein Grund für einen Wirtschaftskrieg gegen Russland.“ Einen solchen könne nur „die dümmste aller Regierungen in Europa“ betreiben, womit sie die deutsche meint. Weil diese im Zusammenhang mit dem von Putin verfügten Gaslieferstopp gegen ureigenste Interessen der Bundesrepublik gehandelt habe.

 

Diese Regierung und ihre Vorgänger sind sicherlich mutlos gewesen angesichts der Herausforderungen einer modernen Welt. Und vielfach fehlte auch die inhaltliche Kompetenz, verbunden mit einer unzureichenden Perspektive auf Morgen und Übermorgen. Kanzler und Minister wird man eben nicht, wenn man Vorabqualifikationen, beispielsweise Examen, mit Bravour bestanden hat. All zu häufig steht man auf den Schultern von Idioten. Das wird an besonders neuralgischen politischen Bereichen deutlich. Wie einem umfassenden Bildungsverständnis als Grundlage für die Digitalisierung, der Produktion notwendiger Güter bei größtmöglicher Ressourcenschonung, einer nachhaltigen Energiegewinnung, der Verantwortung für die Natur, einer nicht privatisierten Daseinsvorsorge und nicht zuletzt der Verteilungsgerechtigkeit. Die Regierungen haben allesamt zu vieles nicht sehen wollen und auf offensichtliches Unrecht lediglich zurückhaltend reagiert und dadurch Despoten wie Putin ermutigt.

 

Doch das meinte Sahra Wagenknecht anscheinend gar nicht. Vielmehr entlarvte sie sich mit ihren Äußerungen als rechts-populistische Politikerin, als Rächerin von vermeintlich Enterbten. Ihre Haltung ist fern jeder gesellschaftlichen Solidarität. Es geht ihr nicht um die Befreiung aus dem neoliberalen Joch, sondern um einige Plätze am Tisch der Ausbeuter, gegebenenfalls mit Putin als Nachbarn. Letztlich ist ihre Art von Sozialismus lediglich ein partieller Machttausch unter Beibehaltung alter Strukturen. Also die Fortschreibung des alten Elends, aber mit neuer und die Tatsachen verfälschender Ausschilderung. Und eben keine neue gerechte Ordnung im Horizont ökologischer Weltverantwortung.

 

Ihre Partei, die LINKE, sollte aufwachen und den ersten Teil der Weltrevolution bei sich selbst durchführen. Konkret sollte sie endlich damit aufhören, Ewiggestrigen, Engstirnigen, Bildungsfernen und Populisten eine Stimme zu geben. Zurzeit schürt sie eine Feindseligkeit gegenüber der kritischen Intelligenz. Dabei sollte gerade diese Partei wissen, dass ihre Urahnen zum großen Teil Intellektuelle waren. Doch die Verbindung zu diesen Wurzeln ist den heutigen Apparatschiks anscheinend verloren gegangen.

 

Klaus Philipp Mertens