Olaf Scholz‘ Erklärung am späten Abend des 6. Novembers war die beste Rede, die ich je von ihm gehört habe. Darin hat er den vor Selbstbesessenheit nahezu berstenden Christian Lindner auf das richtige Maß zurechtgestutzt. Nämlich auf jenes, das einem politischen Hasardeur angemessen ist. Der Laie ohne ökonomische Fachkenntnisse, der vor Jahren ein IT-Unternehmen (Produktion von Avataren) in eine Insolvenz mit Millionenschaden geführt hat, erwies sich immer mehr als Anführer einer parlamentarischen Vertretung von Steuervermeidern. Mit ihm war und ist wahrhaftig kein Staat zu machen.
Der Bundeskanzler hat auch deutlich gemacht, dass sich die Bundesrepublik nicht in einer Staatskrise befindet. Die gegenwärtige Regierung hat lediglich die Notbremse ziehen müssen, weil die FDP (mit Ausnahme von Minister Volker Wissing) das Land mit einem Selbstbedienungsladen verwechselte. Diese Partei sollte die Chance bekommen, sich außerhalb des Parlaments zu regenerieren oder sich aufzulösen. Es tat not, sie zu ersetzen. Sinnvollerweise im Zuge einer vorgezogenen Bundestagswahl. Scholz‘ Fahrplan dazu überzeugt. Er möchte unaufschiebbare Dinge nicht durch blinden Aktionismus gefährden. Eine Vertrauensfrage Mitte Januar und eine Wahl Ende März erscheinen als Mittel der Wahl. Oppositionsführer Friedrich Merz sei angeraten, dieses Verfahren zu akzeptieren. Andernfalls würde er sich auf dem Niveau von AfD und BSW bewegen. Da das Wahlergebnis möglicherweise nur eine Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD gestattet, sollte er keine unnötige Feindschaft säen.
Die Wirtschaftsverbände, die zur sofortigen Neuwahl drängen, seien daran erinnert, dass sich der Parlamentarismus sein Handeln nicht von Losern vorschreiben lassen darf. Wer vor einem Jahrzehnt eine Täuschungssoftware für Dieselfahrzeuge entwickelte, statt einen Elektroantrieb zu konstruieren und derzeit den Niedergang von Teilen der Industrie beklagt, darf nur noch im Büßergewand auftreten und schweigen.
Klaus Philipp Mertens