Einzelartikel aus „https://bruecke-unter-dem-main.de - Frankfurter Netzzeitschrift“

Das kritische Tagebuch

Der Radfahrer als Normalbürger

Vorabauszug aus dem Buch "Einen Schritt vorwärts, drei Schritte zurück"

Im Herbst 2024 erscheint ein Buch mit Berichten, Analysen und Kommentaren zur Frankfurter Verkehrspolitik, die vom Mobilitätsdezernat als "grüne Wende" gefeiert wird. Doch das Eigenlob hält der Realität nicht stand. Weder bei der Ausgestaltung des ÖPNV noch bei der Regulierung des Autoverkehrs. Radfahrer und E-Roller-Fahrer können sich über neue Freiheiten freuen. Fußgänger und Gehbehinderte hingegen haben das Nachsehen.

Hier ein Kommentar von Klaus Philipp Mertens

 

Als die Frankfurter Grünen im Jahr 2003 die städtische U-Bahn an einen US-Investor verkaufen und anschließend zurückleasen wollten (Cross-Border-Leasing), hatte ich den Eindruck, dass diese Partei den Verstand verloren hatte. Denn sämtliche Sachkenner warnten vor den unüberschaubaren Risiken, welche die kurzfristigen finanziellen Vorteile zunichtemachen würden. Glücklicherweise war der Protest der Bürger so groß, dass die SPD, die das Vorhaben zunächst mitgetragen hatte, schließlich dagegen stimmte und es dadurch zu Fall brachte. Der Investor hat zwei Jahre später Insolvenz angemeldet. Die Konkursmasse wurde von internationalen Spekulanten aufgekauft. Die Frankfurter U-Bahn hätte unter Umständen in das Eigentum eines russischen Oligarchen gelangen können. Seither ist mir klar: Man darf den Grünen in Frankfurt und Hessen keinen Zugriff auf die Daseinsvorsorge erlauben. Denn es mangelt ihnen an sozialer Kompetenz. Und ihr Verhältnis zum Kapitalismus ist anbiederisch bis unkritisch.
 

Die geplante und zum Teil bereits umgesetzte Bevorzugung des Radverkehrs in Frankfurts Innenstadt und Nebenzentren basiert ebenfalls auf einer ideologischen, die Tatsachen verkennenden Einschätzung. Zweifellos machen Klimaveränderung und Verkehrssicherheit neue Verkehrskonzepte dringend notwendig. Diese dürfen jedoch weder zu Lasten der Fußgänger noch des öffentlichen Personennahverkehrs gehen. Denn beide weisen die beste Humanbilanz auf. Der Fußgänger müsste sogar das Maß aller Dinge sein.
 

Das Radfahren ist für sich genommen zwar klimafreundlich. Allerdings ist die Zunahme von Pedelecs ein Wermutstropfen im grünen Verkehrsparadies. Wegen der Batterien und der höheren Geschwindigkeiten. Doch es kommt entscheidend auf die Fahrer an. Wenn sich diese rücksichtslos ihren Weg bahnen, etwa auf Gehwegen oder an Verkehrsampeln, was leider extrem häufig zu beobachten ist, können Räder zu Waffen werden. Mancher Pedaltreter assoziiert bei mir Vergleiche mit Autorasern.
 

Bürger mit Gehbehinderung, die auf Gehhilfen, Rollatoren, Rollstühle oder Autos angewiesen sind, scheinen im sozialdarwinistischen grünen Modellverkehr ohnehin nicht zu existieren. Der unlängst zur Radfahrzone umgestaltete, nicht barrierefreie Oeder Weg belegt das.
 

Falls das Fahrrad zu einem von allen akzeptierten Verkehrsmittel werden soll, würde es der strikten Durchsetzung bestehender Gesetze bedürfen (z.B. des Fahrverbots auf Gehwegen, der Verbindlichkeit von Verkehrsampeln etc.). In diesem Zusammenhang wäre ein Radführerschein unerlässlich, der erst nach bestandener Prüfung ausgestellt wird. Und es würde eines amtlichen Radkennzeichens bedürfen, vermutlich auch einer obligatorischen Haftpflichtversicherung.
 

Den Autoverkehr könnte man sowohl mit einer Pkw-Maut als auch mit einem generellen Tempolimit von 30 km/h auf einen menschen- und umweltfreundlichen Umfang reduzieren. Das Beispiel Oeder Weg zeigt, dass die Menge der in die Stadt einfahrenden PKWs durch einzelne Durchfahrsperren oder Straßenverengungen nicht abnimmt. Die Autofahrer suchen sich Ausweichstraßen und Parkplätze in Wohngegenden. Die sommerliche Sperrung des nördlichen Mainufers führt in der morgendlichen und nachmittäglichen Rushhour zur Überbeanspruchung des südlichen Ufers in Sachsenhausen und der umliegenden Straßen. Gefühlt übersteigt die Schadstoffbelastung die Grenzwerte. Doch das Mobilitätsdezernat misst nicht.
Die Zufahrt nach Frankfurt müsste außerhalb des Rings an Mautstellen geregelt werden. Die Maut für Auswärtige ließe sich auf den Kauf von drei Deutschlandtickets festlegen; Frankfurter müssten zumindest ein Ticket nachweisen.
 

 

Einen Schritt vorwärts, drei Schritte zurück
Frankfurt am Main:
Wenn eine "grüne Verkehrswende" zur Kriegserklärung an Fußgänger und Gehbehinderte wird
Herausgegeben von "Investigative Publizistik - Pressedienst staatsbürgerlicher Initiativen in Frankfurt a.M."

ca. 180 Seiten
Das E-Book (gestaltetes PDF) erscheint voraussichtlich Ende Oktober 2024;
eine inhaltlich ergänzte gebundene Ausgabe ist für Anfang 2025 geplan.