Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Hessen hielt es für notwendig, Alarm zu schlagen. Denn die schwarz-rote Landesregierung übe zunehmend Druck auf Vereine und Initiativen aus, sich an das sogenannte Genderverbot zuhalten, das eigentlich nur für die hessische Verwaltung gelte.
Ausgerechnet ein Sozialverband, der die Anliegen von Benachteiligten öffentlich zur Sprache bringen will (u.a. in seinen regelmäßigen Armutsberichten), bedient sich einer synthetischen Sprache, die Frauen und nichtbinäre Geschlechter zum Anhängsel degradiert (*in/*innen). Durch diese Praxis bringt sich der Paritätische um die Chance, ernst genommen zu werden und etwas für seine Klientel erreichen zu können.
Denn jeder öffentliche Diskurs um bessere Lösungen lebt von einer gemeinsamen Sprache. Die Essentials stehen im „Amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung“ (Leibniz-Institut, Mannheim). Das Handbuch basiert auf der Rechtschreibreform (1996, 2004, 2006) und den von der deutschen Grammatik vorgegebenen Standards. Für den öffentlichen Bereich, für Schulen und die Justiz sind sie als Bestandteile der Amtssprache verbindlich (§ 23 Verwaltungsverfahrensgesetz). Wörter, die nicht im Verzeichnis des Regelwerks aufgeführt sind, und abweichende Schreibweisen gelten als falsch.
Ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Sprache ist das Epikoinon (vom altgriechischen epikoinos = gemeinsam), das ungeachtet seines maskulinen, femininen oder neutralen Genus Personen aller Geschlechter bezeichnet, weil seine Bedeutung sexusindifferent ist (so der Sprachforscher Eckhard Meineke). Seit Beginn der Überlieferung des Deutschen haben sich sämtliche Neuwörter und neue Wortzusammensetzungen dieser inneren Logik in genuiner Weise angepasst. Dadurch blieb die Sprache lebendig, weil ihr auch die exakte Darstellung komplexester Sachverhalte stets uneingeschränkt möglich war und ist (z.B. in der Informatik). Folglich basiert die sogenannte geschlechtergerechte Sprache, die von ideologischen Gruppierungen propagiert wird, auf einseitigen Interpretationen einer eindeutigen Empirie. Statt auf Geschlechtergerechtigkeit, zielt sie tatsächlich auf Hierarchisierung und Abhängigkeit (Unter der Bedingung, dass A existiert, kann auch B existieren. Oder: B falls A. So der Mathematiker und Sprachlogiker Gottlob Frege). Für einen gemeinnützigen Wohlfahrtsverband wie den Paritätischen ist das Gendern eine Kapitulation vor den sozialen Verwerfungen der Gegenwart.
Ich habe viele Jahre die Pressemitteilungen des Paritätischen Gesamtverbands bezogen. Sie waren zwar inhaltlich informativ, aber irgendwann formal für den Nutzer nicht mehr zumutbar. Die Genderitis führte zu Sprachlosigkeit.
Wenn die grüne Landtagsabgeordnete Vanessa Gronemann, die den Weltuntergang heraufziehen sieht, dem Kultusministerium unterstellt, sich als Sprachpolizei zu betätigen, sollte sie vor der eigenen Tür kehren. Wäre das Deutsch ihrer Partei nicht so ausdrucksarm und unpräzise, hätten die Bürger das schließlich gescheiterte Heizungsgesetz mutmaßlich verstanden. Wer Politik sprachlich sexualisieren will, hat nichts begriffen.
Klaus Philipp Mertens

