Nach Zustimmung der zuständigen staatlichen Stellen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgiens, Liechtensteins und Südtirols ist die Anpassung des Amtlichen Regelwerks für die deutsche Rechtschreibung nunmehr offiziell. Sonderzeichen im Wortinneren zur Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten werden nicht aufgenommen.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) als eine der beiden zuständigen staatlichen Stellen in Deutschland hatte laut Mitteilung des Sekretariats der KMK der Neufassung des Amtlichen Wörterverzeichnisses und der Anpassung des Amtlichen Regelwerks für die deutsche Rechtschreibung bereits Ende April zugestimmt. Eine verbindliche Umsetzung in den Schulen soll spätestens zum Schuljahr 2027/28 erfolgen.
Mit Abschluss seiner 3. Ratsperiode hat der Rat für deutsche Rechtschreibung, nach Anhörung einschlägiger Einrichtungen und Verbände, ein vollständig neu erarbeitetes Amtliches Wörterverzeichnis mit daraus folgenden notwendigen Anpassungen des Amtlichen Regelwerks beschlossen.
Das neue Amtliche Wörterverzeichnis wurde seit 2017 auf der Basis empirischer Schreibbeobachtung des Orthografischen Kernkorpus am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache mit inzwischen mehr als 14 Mrd. Wortbelegen aus dem gesamten deutschen Sprachraum erarbeitet. Das Wörterverzeichnis konzentriert sich auf prototypische orthografische Zweifelsfälle und ist insofern komplementär zum Regelteil.
Die wesentlichen Neuerungen und Aktualisierungen im Überblick:
Das Stichwortinventar wurde in seinem deutschen Kernwortschatz auf die wesentlichen orthografischen Fragestellungen konzentriert wie Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Groß- und Kleinschreibung (nichtöffentlich / nicht-öffentlich / nicht öffentlich, regenerative/Regenerative Energien).
Das Wörterverzeichnis wurde umfassend aktualisiert: So wurden zahlreiche neue Fremdwörter überwiegend aus dem Englischen und anderen modernen Fremdsprachen (timen, mailen, whatsappen, Cappuccino, Fake News / Fakenews / Fake-News) aufgenommen.
Der Regelteil wurde durch Anpassungen und Präzisierungen von Regeln nur im unerlässlichen Maß geändert, die der Rechtschreibnorm und dem aktuellen Schreibgebrauch Rechnung tragen (Last-minute-Angebot/Last-Minute-Angebot).
Neue Tendenzen des Schreibwandels wurden durch die Aufnahme von Schreibvarianten und aktuellen Anwendungsbeispielen deutlich gemacht (faken, fakte, gefakt/gefaked, aber nur: gefakte Nachrichten).
Das Kapitel Zeichensetzung wurde neu systematisiert, vereinfacht und gestrafft. Dabei wurde eine Regeländerung vorgenommen: Infinitivgruppen ("erweiterter Infinitiv") werden verbindlich durch Komma abgetrennt.
Der Rat hat im Kontext der Neufassung des Regelwerks auch über das Thema "geschlechtergerechte Schreibung" beraten und seine Auffassung bekräftigt, dass man alle Menschen mit geschlechtergerechter Sprache ansprechen soll. Dies sei eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden könne. Vor diesem Hintergrund betont der Rat für deutsche Rechtschreibung, dass Sonderzeichen im Wortinneren wie Asterisk ("Gender-Stern"), Unterstrich ("Gender-Gap"), Doppelpunkt oder andere, die die Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten vermitteln sollen, nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehören und nicht in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aufgenommen werden können. Sie seien derzeit nicht wissenschaftlich eindeutig zu begründen. Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird den gesellschaftlichen Diskurs dazu weiter beobachten. Siehe dazu auch die Erläuterungen und Begründungen des Rats für deutsche Rechtschreibung.
Hintergrund:
Der Rat für deutsche Rechtschreibung wurde im Jahr 2004 auf der Basis der Wiener Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung der Repräsentanten der deutschsprachigen Länder vom 01.07.1996 als Nachfolgegremium der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung gegründet. Er wird getragen von der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und dem Fürstentum Liechtenstein. Luxemburg ist mit beratender Stimme vertreten. Er hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks (Regeln und Wörterverzeichnis) im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln. Dazu gehören insbesondere die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung, die Klärung von Zweifelsfällen der Rechtschreibung und die Erarbeitung und wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache. Seine Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks erhalten Bindungswirkung für Schule und öffentliche Verwaltung durch Beschluss der zuständigen staatlichen Stellen.
Amtliches Regelwerk und Wörterverzeichnis sind auf der Internetseite des Rats für deutsche Rechtschreibung für die Öffentlichkeit zugänglich.
12. Juli 2024