SchreibWerkstatt
Neue Texte Frankfurter Autoren
117. PRO LESEN-Themenwoche. 16. – 21. 12. 2024 - Die Sache mit Gott
Theologische Aufklärung zur Advents- und Weihnachtszeit
Eine Spurensuche für die Gebildeten unter den Verächtern
Umschau in den Werken von Hermann Samuel Reimarus, Friedrich Schleiermacher, David Friedrich Strauß, Ludwig Feuerbach, Albert Schweitzer, Rudolf Bultmann, Dietrich Bonhoeffer, Paul Tillich und Herbert Braun
Büchertisch im Bibliothekszentrum Sachsenhausen, Obergeschoss
Zugänglich während der Öffnungszeiten der Bücherei
Auf ein Wort
Liebe Literaturfreundinnen und Literaturfreunde,
aufs Gemüt schlägt mir in der besonders grauen Jahreszeit, also von Ende November bis zu Silvester, vor allem die immer früher einsetzende synthetische Weihnachtsmarktidylle. Wenn ich in diesen Wochen in der Frankfurter Innenstadt etwas erledigen muss, schlage ich einen großen Bogen um diesen Trubel. Vor sieben Jahren nervte mich die glühweinselige Kulturzerstörung so sehr, dass ich ein Gedicht schrieb. In etwas mehr als einer Stunde hatte ich meinen Frust zu Papier gebracht – folglich fehlt ihm die literarische Tiefe. Dennoch löst es seither im Kreis gottloser Skeptiker eine unheilige Freude aus. Darum auf ein Neues:
Frankfurter Adventsutopie
Es ist Advent,
kein Lichtlein brennt.
Selbst vom Himmel strahlt kein Stern;
der Mond ist unsichtbar und fern.
Aus Bankentürmen dringt kein Schein,
still und behäbig fließt der Main.
Die Nacht ist finster, alles schweigt,
nur aus dem Bahnhofsviertel steigt
steil hoch das Licht der Sünde.
Es scheint ganz so, als stünde
Frankfurt vor einer Wende,
als wäre dies‘ Jahr der Advent
nicht Anfang, sondern Ende.
Ein Abgesang, ganz konsequent
auf Geld und Gier, Gewinn und Macht,
auf Lug und Trug und Niedertracht.
Und ebenso auf die Gestalten,
die Klimatod für Lüge halten.
Sankt Nikolaus und Weihnachtsmann
wandeln der Zeit nicht mehr voran;
genießen ihren Ruhestand
in der Bar „Zum Pflasterstrand“.
Am Nachbartisch, bei Brot und Wein,
finden sich Büchner und Heine ein.
Zwar nur die Geister von denselben,
die mit dem Mut der alten Helden
vollenden woll’n, für das die stritten:
Ein neues Land mit neuen Sitten!
Sie dichten ein anderes Weihnachtslied
über „Friede den Hütten“ und „Krieg den Palästen“;
es klingt nach Gemeinsinn statt nach Profit,
nach Revolution und rauschenden Festen.
Vorbei ist die Mär von Hölle und Himmel,
vorbei ist’s mit Christbaum und seichtem Gebimmel.
Jetzt geht’s um die Erde, um Frankfurt am Main,
dort soll man unsterblich und glücklich sein.
Bleiben Sie tapfer angesichts falschen Heiligenscheins.
Ihr Klaus Philipp Mertens